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Tod Auf Dem Jakobsweg

Tod Auf Dem Jakobsweg

Titel: Tod Auf Dem Jakobsweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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fragen Sie?»
    «Ach», Obanos hob gleichmütig die Hände, «es war nur so eine Idee. Ganz vage.»
    Als sie ihn immer noch unverwandt und fragend ansah, erklärte er: «Es hat noch einen Unfall gegeben, na ja, die gibt es ständig und überall. Dieser passierte schon vor dem Ihres Sohnes.»
    «Auf dem Jakobsweg?» Ihre Stimme klang alarmiert, Obanos entschloss sich zu lügen.
    «Ja, aber weit entfernt von Roncesvalles im Westen. Es war nur ein kleiner Unfall ohne schwerwiegende Folgen. Es hat nichts zu sagen, Señora. In meinem Beruf entwickelt man chronisches Misstrauen und stellt immer zu viele Fragen, manche sind überflüssig. Es ist nur, weil beide Deutsche sind. Dabei sind mir die Deutschen», versuchte er einen matten Scherz, «früher immer als besonders diszipliniert und achtsam erschienen. Nein, es hat nichts zu sagen, nur eine zufällige Duplizität der Ereignisse.»
    Er hörte sich zu und hoffte, sie merke nicht, dass er zu viel und zu schnell redete.
    «Trotzdem haben Sie vermutet, dieser Dietrich habe irgendeine Verbindung zu meinem Sohn? Dann sollten Sie besser ihn fragen. Die Zeiten, als ich die Namen aller Freunde und Bekannten meines Sohnes wusste, sind doch lange vorbei. Er ist erwachsen und lebt sein eigenes Leben.»
    «Vergessen Sie meine Frage einfach. Der — Verunglückte war auch kein Wanderer oder Pilger, er lebte und arbeitete schon lange in Spanien.»
    Des Letzteren konnte Obanos nicht sicher sein, wenn der Mann jedoch ein hostal oder eine Pilgerherberge betrieben hatte, war das anzunehmen. Außerdem klang es gut und beruhigend. So hoffte er.
    Dr. Helada trat ein, er begrüßte Obanos schon wie einen Freund des Hauses, was mehr an der Bekanntschaft mit Pilar lag als an Obanos’ Besuchen im Hospital. Er beugte sich mit aufmerksamem Blick über den Kranken, prüfte die Displays und versicherte Ruth Siemsen, alles stehe bestens, er sei sehr zufrieden.
    Dann zog er sich mit dem Inspektor zur Tür zurück. Er habe gerade gesagt, wie es sei, raunte er Obanos zu, Señor Siemsen sei wirklich über den Berg, man könne hoffen, dass er bald erwache, obwohl, er rieb sich seine dünnen nussbraunen Haare über der Schläfe und zuckte bedeutungsvoll mit den Achseln. Obanos verstand: Man wusste auch hier nie verlässlich, was geschehen würde.
    «Dr. Helada!» Ruth Siemsens Stimme klang wie ein Schrei. «Schnell, kommen Sie!» Der Arzt schob Obanos zur Seite und stürzte an Benedikts Bett. Der Kranke lag ruhig wie zwei Minuten zuvor.
    «Er hat die Augen geöffnet», rief Ruth Siemsen, «gerade eben. Er hat sie geöffnet und mich angesehen. Ich habe es mir nicht eingebildet, bestimmt nicht. Er hat die Augen aufgemacht.»
    Sie sah flehend zu Dr. Helada auf, als sei es an ihm zu entscheiden, wann ihr Sohn ihr zurückgegeben war.
    Er seufzte und warf Obanos, der nun neben ihm stand, einen zweifelnden Blick zu.
    «Sie können ruhig so gucken», rief Ruth Siemsen triumphierend und vergaß völlig, die Stimme zu dämpfen. «Sie können mich auch gerne für eine hysterische Mutter halten, die sieht, was sie sich zu sehen wünscht. Das ist mir egal. Schnurzpiepe. Ich weiß, was ich gesehen habe. Ich weiß es ganz sicher.»
    Sie lachte übermütig. Vielleicht war sie doch ein wenig hysterisch, aber dann nur vor Glück. Das konnte nicht schlecht sein.
    Obanos verließ das hospital fröhlicher, als er es betreten hatte. Morgen würde er Señor Seifert anrufen. Dr. Helada hatte zwar die Erlaubnis, den Reiseleiter über Señor Siemsens Zustand auf dem Laufenden zu halten, doch er würde kaum erzählen, sein Patient habe die Augen aufgeschlagen, bevor er es selbst gesehen hatte. Er, Obanos, hatte es leichter. Er konnte erzählen, was er wollte. Und abwarten, ob die frohe Nachricht ein bisschen Unruhe in die brave deutsche Pilgergesellschaft brachte. Im Übrigen fühlte er sich völlig überarbeitet. Es war an der Zeit, über einen kurzen Urlaub nachzudenken. Er hatte schon lange mal wieder dem heiligen Jakobus die Ehre erweisen wollen. Ja, er war ein sündiger Mensch, es konnte seiner befleckten Seele nur guttun.
    Beschwingt vor sich hin pfeifend, ging er über den Parkplatz zu seinem Auto. Fragte sich nur noch, wie er das Pilar und den Kindern beibrachte.
     
    In der einstigen Tempelrittersiedlung Villalcázar de Sirga — ausnahmsweise keine Legende, sondern verbürgte, mit Urkunden belegte Geschichte — wartete Felix auf Hedda und Leo. Auch Jakob, Rita und Fritz saßen auf den Stufen vor der Kirche, alle lehnten

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