Tod auf der Fähre (German Edition)
Es hängt ein unvollendetes Bild an der Wand.»
«Das wird es sein. Er nannte es so, konnte aber nicht sagen, weshalb. Einer Eingebung folgend, meinte er. Er arbeitete seit einem Monat daran.»
«Und sonst malte er nichts?»
«Nein.»
«Ist das nicht eigenartig?»
«Für einen anderen Künstler nicht. Man hat immer wieder einmal eine Schaffenskrise. Frank hingegen hatte nie Krisen. Deshalb war ich auch so erstaunt.»
«Fragten Sie ihn nach dem Grund?»
«Zuerst wagte ich es nicht. Dann fragte ich ihn doch. Er sagte mir, dass er das Bild hundert Mal übermalt habe. Es würde ein Meisterwerk. Mit dem Bild würde er es allen Kritikern zeigen.»
«Ich möchte nochmals auf Brehms Beziehungen zu sprechen kommen. Hatte er Affären?»
«Beziehungen? Affären? Haben Sie mit Olivia darüber gesprochen?»
«Das habe ich.»
«Weshalb fragen Sie dann?»
«Olivia Vischer ist sicher in dieser Hinsicht etwas voreingenommen. Was man ihr nicht verübeln kann.»
«Frank war kein Kind von Traurigkeit. Er nahm immer alles mit, was sich ihm anbot. Manchmal sogar mehr als das.»
«Dann gab es mehrere Affären?»
Herbert Kuhn schaute durchs offene Fenster.
«Herr Kuhn! Gab es viele Affären?»
«Wie? Wie war die Frage?»
«Ob Frank Brehm viele Geliebte hatte, wollte ich wissen.»
«Immer wieder einmal eine, aber nie etwas Festes. Einmal, das war wirklich die Ausnahme, erklärte er mir, schon stark betrunken, seine Philosophie in Bezug auf Frauen.»
«Sie machen mich neugierig.»
«Ich sagte ihm klipp und klar, dass ich Olivia sehr attraktiv fände. Er lachte mich aus und meinte, dann könne ich mich ja für ihn opfern. Er erklärte mir, dass Olivia sein Gehirn inspiriere und die anderen Frauen seinen Sextrieb. Ich glaube, er sagte wörtlich, ich brauche immer zwei Frauen, eine für den Verstand und eine fürs Bett. Und die fürs Bett wurde immer wieder ausgewechselt. Die Frauen warfen sich ihm ja auch förmlich an den Hals», fügte er zur Entschuldigung von Brehm hinzu.
«Und bekam er nie Ärger?»
«Mit Olivia?»
«Ich dachte eher an die Ehemänner und Freunde seiner Geliebten.»
«Ab und zu drohte ihm mal jemand, dass er ihn zusammenschlagen werde. Aber er hat es immer irgendwie hingekriegt, dass sich das Ganze in Minne auflöste.»
«Wer könnte ihn umgebracht haben?»
«Ich … ich weiss nicht. Vielleicht war es ein Unfall.»
«Das lässt sich mit Sicherheit ausschliessen. Er ist mit einem stumpfen Gegenstand erschlagen worden.»
«Musste er leiden?»
«Ich glaube kaum. Der Schlag wurde mit grosser Kraft geführt, Brehm war sofort tot. Wir glauben auf Grund der grossen Schlagkraft, dass es ein Mann gewesen ist. Wie sieht nun Ihre Zukunft aus?», wechselte der Kommissär das Thema.
«Zukunft? Was ist schon die Zukunft? Ich muss in der Gegenwart leben. Über die Zukunft mache ich mir keine Gedanken.»
«Sie haben eine Freundin?»
«Warum fragen Sie? Sie wissen es sicher schon, dass Isabelle in der Psychiatrischen Universitätsklinik ist.»
«Ich will nicht aufdringlich sein …»
«… das sind Sie aber.»
«Wie geht es Ihrer Freundin?»
Kuhn kämpfte mit sich, ob er das Gespräch weiterführen sollte. Er entschied sich dafür.
«Es geht ihr mies, verdammt mies.»
«Weshalb ist sie überhaupt dort?»
«Sie … sie ist sehr sensibel. Das liebe ich so an Isa. Sie ist viel zu gut für diese Welt. Sie sieht alles immer positiv. Alle kommen zu ihr, belasten sie mit ihren Problemen. Und sie, sie saugt die Probleme der ganzen Welt wie Löschpapier auf, bis sie selber nicht mehr mit den Problemen anderer fertig wird. Ich mache mir solche Vorwürfe. Sie war immer für mich da. Und ich dachte keine Sekunde darüber nach, dass sie auch einmal Hilfe brauchen könnte. Ich bin ein Egoist. Als es ihr ganz dreckig ging, liess ich sie im Stich. Ich bin schuld daran, dass sie in psychiatrischer Behandlung ist.»
«Sie sind schuld daran?»
«Ich bin nicht da gewesen, als sie mich brauchte. Ich war in München. Olivia rief mich an und teilte mir mit, dass Isa eingeliefert worden sei … eine Überdosis Schlaftabletten. Sie wollte ihr Leben beenden. Und jetzt sitzt sie lethargisch in einem Zimmer. Sie spricht zwar mit mir … sie ist ganz ruhig. Aber ihre Augen, sie sind leer und kraftlos.»
«Wann kann sie wieder raus?»
«Die Ärzte sagen, dass ihr nichts fehle. Sie habe sich bestens erholt und wenn es nach Professor Hilpert ginge, könnte ich sie sofort abholen.»
«Wo ist denn das Problem?»
«Sie will nicht.
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