Tod auf der Fähre (German Edition)
Sie möchte bleiben.»
Ferrari verstand die Welt nicht mehr. Vor ihm sass ein angeschlagener, junger Mann ohne Lebensinhalt. Das Einzige, was ihn am Leben hielt, war seine Liebe zu seiner Freundin, und daran zweifelte der Kommissär keine Sekunde. Und in der Psychiatrischen Universitätsklinik war eine depressive, junge Frau, die dringend der Liebe dieses Mannes bedurfte. Eine total verrückte Welt.
«Wenn ich Ihnen irgendwie behilflich sein kann …»
«Ich wüsste nicht wie.»
«Wann haben Sie sie zuletzt gesehen?»
«Ich besuche sie jeden Tag.»
«Auch in den vergangenen Tagen?»
«Jeden Tag.»
Der Kommissär nahm sich vor, einen Gesprächstermin mit Professor Hilpert zu vereinbaren. Der junge Mann tat ihm Leid. Er würde versuchen, ohne dessen Wissen mit Isabelle Piatti Kontakt aufzunehmen. Kuhn würde es ihm sicher nicht gestatten.
«Kann ich Sie alleine lassen, ohne dass Sie irgendeinen Blödsinn anstellen?»
Kuhn lachte. Ein bitteres Lachen.
«Keine Angst, ich bringe mich schon nicht um.»
Ferrari verabschiedete sich.
«Ihre ganzen Wände sind mit echten Brehms gepflastert. Hat er Ihnen die Bilder geschenkt?»
«Franks Bilder? Ich habe nur ein Bild von Frank, und das hängt im Schlafzimmer.»
«Ich dachte … aber die Bilder im Wohnzimmer …»
Kuhn lachte.
«Man sieht, dass Sie sich nicht besonders gut mit Kunst auskennen. Das sind meine Bilder. Frank würde sich im Grab umdrehen, wenn er wüsste, dass Sie meinen Mist mit seinen Werken vergleichen.»
Der Kommissär verliess das Haus und warf nochmals einen Blick zum Fenster hinauf. Herbert Kuhn winkte ihm zu. Ferrari winkte unsicher zurück. In der kurzen Zeit hatte er doch durch Olivia Vischer, den Galeristen Wohlfahrt und durch seine gute Beobachtungsgabe einiges über Brehms Werk gelernt. Brehm hatte die Bilder in Kuhns Wohnung nie zu Gesicht bekommen, sonst wäre er ausgerastet und hätte seinen Assistenten hochkant rausgeworfen. Der Kommissär wartete nachdenklich auf den Bus. Was er gesehen hatte, war schlichtweg grosse Kunst. Sie würden jeden Vergleich mit der Brehmschen Sammlung bei Vischers standhalten. Ganz bestimmt.
15. Kapitel
Staatsanwalt Borer schäumte vor Wut. Ohne anzuklopfen, stürmte er in Ferraris Büro.
«Wie können Sie es wagen, Frau Vischer zu verhören, ohne Dr. Hauswirth zu informieren?»
«Ich wusste nicht, dass ich Herrn Dr. Hauswirth zuerst fragen muss», konterte der Kommissär, der gerade seine Notizen über das Gespräch mit Herbert Kuhn abschloss.
«Dr. Hauswirth hat mich angerufen, er ist empört. Er wird sich diesen Affront nicht gefallen lassen.»
«Er macht ziemlich viel Wind um die Sache. Ich habe Olivia Vischer nur einige persönliche Fragen gestellt.»
Borer hörte gar nicht zu.
«Es ist ein Skandal! Jawohl, ein Skandal. Ich werde Ihnen den Fall entziehen.»
Ferrari glaubte, sich verhört zu haben.
«Wie bitte? Habe ich richtig gehört?»
«Ganz genau, ich entziehe Ihnen den Fall. Baer soll weiterermitteln. Das ist mein letztes Wort.»
«Mit welcher Begründung, Herr Staatsanwalt?»
«Sie kommen keinen Schritt vorwärts. Ich will Resultate sehen.»
«Und wenn ich meine Arbeit mache, kommt irgendein hergelaufener Studienkommilitone und beschwert sich bei Ihnen.»
«Sie wagen es … Sie wagen es, Herrn Dr. Hauswirth …» Borers Stimme überschlug sich.
«Sie können mir den Fall entziehen, Herr Dr. Borer. Wie Sie wollen. Aber ich sage es Ihnen frei heraus, wenn Sie mir diesen Fall entziehen, werde ich eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Sie einreichen. Ich werde belegen, dass Sie in dieser Angelegenheit befangen sind.»
«Wie reden Sie mit mir? Was erlauben Sie sich eigentlich?!»
«Jetzt rede ich und Sie haben Sendepause, Herr Staatsanwalt. Wenn Sie Ihre Freunde unbedingt schützen wollen, dann geben Sie und nicht ich den Fall an einen Kollegen ab. Herr Dr. Hauswirth gehört zu den Verdächtigen und ich werde mich unter keinen Umständen durch ein eng geflochtenes Beziehungsnetz davon abhalten lassen, den Mord aufzuklären. Und noch was. Ich bin seit über zwanzig Jahren im Dienst. Ich mache meine Sache gut. Und ich lasse mir, solange ich mich korrekt verhalte und nur meine Arbeit und nichts anderes als meine Arbeit erledige, nicht dreinreden. Auch nicht von Ihnen, Herr Staatsanwalt.»
«Sie sind aus dem Fall raus, Ferrari. Das ist ein Befehl. Haben Sie mich verstanden?»
«Ihr Geschrei ist nicht zu überhören. Und ich wiederhole es nochmals. Mein nächster Schritt wird sein,
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