Tod auf der Themse
den Dieben und der Dienerschaft in
sechs verschiedenen Haushalten halte ich für ausgeschlossen.«
Er blies die Wangen auf und stapfte vor Kälte mit den Füßen.
»Zuerst wird es Protestgemurr aus dem Stadtrat geben. Dann wird es
sich zu einem Gebrüll des Mißfallens auswachsen, und
irgendjemandes Kopf wird rollen. Was, Shawditch?«
»Aye, Sir John, und es
könnte der meine sein. Oder der Eure«, fügte er nüchtern
hinzu. »Brechen irgendwo Recht und Ordnung zusammen, glaubt man
immer, es würde die Sache besser machen, wenn man einen Beamten
bestraft, weiß der Himmel, warum.«
Cranston schlug ihm auf die
Schulter. »Ihr kennt Bruder Athelstan?«
»Euren Sekretär?
Den Pfarrer von St. Erconwald in Southwark?« Shawditch nickte.
»Natürlich. Er ist höchst einprägsam, Sir John, denn
zwischen ihm und Euch ist ein Unterschied wie Tag und Nacht.«
Shawditch lächelte bei
der Erinnerung an den schmalen, olivhäutigen Dominikanermönch
mit seinen rabenschwarzen Haaren und den lächelnden Augen, die eine
scharfe Intelligenz und einen wachen Verstand verrieten. Anfangs hatte
Shawditch ihn für verschlossen gehalten,
aber dann hatte er erkannt, daß der Dominikaner nur schüchtern
war und eine ziemliche Ehrfurcht vor dem übermächtigen Sir John
mit seinem gefräßigen Appetit und seiner ständigen Gier
nach Erfrischungen hatte.
»Worüber lächelt
Ihr?« fragte Cranston grob.
»Oh, über gar
nichts, Sir John. Ich dachte nur…« Shawditch ließ den
Satz unvollendet.
»Wie dem auch sei«,
dröhnte Cranston und wandte sich ab, um weiterzugehen, »Athelstan
sagt immer, wo es ein Problem gibt, muß es auch eine Lösung
geben; es ist alles nur eine Frage von Beobachtung, Betrachtung und Schlußfolgerung.«
Mit einer Behendigkeit, die
sogar Thomas, die Kröte, bewundert hätte, machte er einen Satz
zur Seite, als über ihm ein Fenster aufging und der Inhalt eines
Nachttopfs auf die Straße geschüttet wurde. Shawditch hatte
weniger Glück, und sein Mantel bekam ein paar Spritzer ab. Er blieb
stehen und drohte mit der Faust zu dem Fenster hinauf; dann sprang er
ebenso flink wie Cranston beiseite, als es wieder geöffnet wurde und
ein zweiter Nachttopf erschien.
»Das sollte gesetzlich
verboten werden«, knurrte er. »Aber was sagtet Ihr gerade, Sir
John?«
Der Coroner zog sich den
Biberhut fest über den mächtigen Schädel. »Die Frage
ist, wie kommt der Dieb ins Haus? Zweitens, woher weiß er, daß
niemand da ist?«
»Was die zweite Frage
angeht, das weiß ich nicht. Und die erste? Nun, das ist ebenfalls
ein Geheimnis.«
»Habt Ihr alle Dächer
überprüft?« fragte Cranston.
»Ja. Trumpington hat
einen Dachdecker kommen lassen, der Mann hat die Dächer untersucht
und nichts feststellen können.«
Sie hatten die Bread Street
erreicht. Cranston wollte abbiegen, aber Shawditch hielt ihn am Ärmel
fest.
»Ich sagte, ich hätte
zwei Probleme für Euch, Sir John. Das zweite ist ernster.«
Cranston seufzte. »Schön,
aber nicht hier.«
Er führte den
Untersheriff die Cheapside hinauf und in die heimelige Wärme der
Schenke »Zum Heiligen Lamm Gottes«. Dort rief er nach der
Wirtin, verlangte seine Wachtelpastete und Rotwein für sich und
seinen Freund. Als er den ersten Bissen genommen hatte, nickte er dem
Untersheriff zu.
»So. Erzählt.«
»Ihr wißt, daß
die Schiffe des Königs gegen die Franzosen gefahren sind?«
»Aye. Wer wüßte
das nicht?« Cranston mampfte seine Pastete.
Vom Parlament zum Handeln
gedrängt, hatte John von Gaunt schließlich eine Flotille von fünfzehn
bewaffneten Schiffen zusammengestellt, die Vergeltungsmaßnahmen
gegen die französischen Kaperfahrer im Kanal und Überraschungsangriffe
gegen die Städte und Dörfer an der Küste der Normandie ausführen
sollten.
»Ja«, fuhr
Shawditch fort. »Ein paar dieser Schiffe liegen vor Queen’s
Hithe auf der Themse, darunter auch die God’s Bright Light.«
Shawditch nahm einen Schluck Wein. »Das Schiff stand unter dem
Befehl von William Roffel. Es ist vor zwei Tagen in den Hafen eingelaufen,
nachdem es eine ganze Anzahl französischer Schiffe erobert und
versenkt hatte. Roffel jedoch wurde auf der Heimreise plötzlich krank
und starb. Seinen Leichnam hat man an Land gebracht. Die Besatzung bekam
ihre Heuer und sieben Tage Landurlaub. Letzte Nacht nun waren als Wache
nur der Erste Maat und zwei
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