Tod auf der Themse
Kapitäns?«
Crawley zuckte die Achseln.
»Er war kein guter Kapitän, Pater. Er war ein guter Seemann.
Ich selbst konnte ihn nicht ausstehen. Ich weiß, ich weiß, der
Mann ist tot, Gott gebe ihm die ewige Ruhe, aber ich sage es noch einmal:
Ich konnte ihn nicht leiden.«
Rasch ergriff Cabe wieder das
Wort. »Und am Nachmittag«, sagte er, »kamen ein paar
Huren an Bord, wie es Brauch ist.« Er schaute betreten weg. »Ihr
wißt doch, wie das ist, Pater. Wenn Männer auf See sind, vor
allem junge Männer…wenn die nichts zu naschen kriegen…«
Cranston hustete. »Und
die Huren gingen ihrem Gewerbe nach?«
»Nein«, erwiderte
Cabe schnippisch. »Sie stellten sich im Heck auf und sangen
Kirchenlieder.« Er sah den warnenden Ausdruck in Cranstons Blick.
»Natürlich gingen sie ihrem Gewerbe nach, aber ehe es dunkel
wurde, brachten wir sie mit dem größten Teil der Mannschaft vom
Schiff.«
»Gab es noch andere
Besucher?«
»Bernicia«, sagte
Minter, der Arzt, mit spöttischem Grinsen.
»Wer ist das?«
Jetzt grinste sogar Crawley.
»Na los, wir wollen
mitlachen.«
»Sie ist eine Hure, Sir
John. Nun ja - Roffels Mätresse. Ein hübsches kleines Ding. Sie
hat ein Haus in der Poultney Lane, nicht weit von der Taverne ›Zum
Löwenherz‹. Sie wußte nicht, daß Roffel tot war.«
»Und?«
»Als wir ihr sagten,
der Kapitän sei im Sarg zu seiner Frau gebracht worden, da fing sie
an zu heulen. Wir ließen sie ein Weilchen in der Kapitänskajüte
hocken, gaben ihr dann einen Klaps auf den Hintern und schickten sie an
Land. Jetzt gab es keine blutigen Finger mehr für sie.«
»Was soll das heißen,
blutige Finger?« fragte Cranston.
Cabe beugte sich vor, wobei
sein Gesicht aus dem Schatten kam.
»Wenn wir Schiffe
kaperten, Sir John, hatten wir es immer eilig. Wir enterten sie,
erledigten die Besatzung, schnappten uns die Beute und versenkten das
Schiff. Roffel pflegte jeden Toten auf Wertsachen zu untersuchen, vor
allem auf Ringe. Wenn er die nicht schnell genug abkriegte, hackte er
ihnen die Finger ab. Das fand er witzig. Und er schenkte seiner Dirne
Bernicia die Ringe, in denen immer noch die Finger steckten.«
Athelstan wandte sich
angeekelt ab. Er hatte vom Krieg auf See gehört; er wurde blutig und
auf beiden Seiten bösartig geführt, aber Roffel war anscheinend
der leibhaftige Teufel gewesen. Kein Wunder, daß seine Gemahlin kaum
wie eine trauernde Witwe erschien.
»Und als Bernicia von
Bord gegangen war?« fragte Cranston.
»Da war alles erledigt.
Bracklebury teilte die Wache ein - sich selbst und zwei andere zuverlässige
Kerle. Wir hatten die Börsen voll Geld, also nahmen wir ein Beiboot
und ruderten an Land.«
»War die Wache nicht
ziemlich spärlich besetzt?« fragte Cranston.
»Eigentlich nicht«,
meinte Crawley. »Die Schiffe liegen in Reih und Glied auf der
Themse. Ein Offizier und mindestens zwei Mann bleiben an Bord; einer steht
im Heck, einer am Bug.« Er senkte den Blick.
»Aber in Wirklichkeit
genügte das nicht.« Cranston blieb beharrlich.
»Dies ist des Teufels
Schiff, Sir John«, sagte Coflrey. »Wir wollten runter.
Besonders nach…«
»Nach was?«
fragte Athelstan leise.
»Kindische Alpträume.«
Crawley lachte. »Ich habe davon gehört.«
»Am Nachmittag«,
erläuterte Cabe, »als der Tag allmählich zu Ende ging und
der Nebel hereinrollte, da behaupteten ein paar Männer, auf dem
Schiff spuke Roffels Geist.« Er zuckte die Achseln. »Ihr kennt
Seeleute. Wir sind ein abergläubisches Volk. Sie redeten von einem
Gefühl der Kälte, von einer unsichtbaren Erscheinung, von
scharrenden Geräuschen aus dem Laderaum. Sie berichteten dem Maat
davon, der rief zwei Freiwillige auf, an Bord zu bleiben, und wir übrigen
gingen schnellstens an Land.«
»Nach Einbruch der
Dunkelheit«, stellte Athelstan fest, »waren also nur noch der
Maat und die beiden Männer der Wache
an Bord. Hat sich einer der hier Anwesenden danach dem Schiff noch genähert?«
Alle verneinten im Chor.
»Aber wir halten
Verbindung«, erklärte Crawley. »Jede Stunde, wenn die
Kerzenflamme den Ring erreicht, wird die Parole mit einem Sprachrohr von
Schiff zu Schiff weitergegeben. Und zur halben Stunde sendet eine
Blendlaterne auf jedem Schiff drei kurze Lichtsignale zum Zeichen, das
alles in Ordnung ist.«
»Schön.«
Athelstan streckte sich. »Da haben wir also weiter
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