Tod auf der Themse
bewunderte seine Geschicklichkeit und Sicherheit. Schließlich
machte er kehrt und ritt zurück in Richtung London Bridge. Als er an
seiner Kirche vorbeikam, stürzte Crim, der Altarjunge, heraus.
»Pater! Pater!«
Athelstan zügelte
Philomel. Er befürchtete schon, Marston und seine Kerle hätten
irgendwelche Bosheiten versucht; besorgt schaute er zur Kirche, aber alles
schien ruhig zu sein.
»Was gibt’s denn,
Crim?«
»Pater«,
stotterte der Junge, »der Lord Roßzermalmer!«
»Du meinst Sir John
Cranston, den Coroner der Stadt London?«
»Aye, Pater, den alten
Fettarsch.«
»Crim!«
»Verzeihung, Pater,
aber er hat einen Boten herübergeschickt. Ihr wißt doch, Pater
- den mit dem verkniffenen Hintern, der wie eine Ente watschelt und immer
das Gesicht verzieht, als ob er etwas Faules gerochen hätte.«
»Und was hat dieser
Bote gesagt?« fragte Athelstan geduldig.
»Sir John will Euch
dringend in der Cheapside sehen. Lady Benedicta ist schon losgegangen«,
fügte er atemlos hinzu. »Sie wollte dort Vorbeigehen und Sir
John sagen, daß Ihr unterwegs seid.«
Athelstan warf dem jungen
eine Münze zu und setzte seinen Weg fort. Zum erstenmal seit Wochen
trieb er Philomel zum schnellen Trab und machte sich kaum noch die Mühe,
die Grüße und Zurufe zu beantworten. Er trappelte auf die Brücke
und schaute nicht nach rechts oder links. Weshalb mochte Sir John wohl so
ungeduldig nach seiner Anwesenheit verlangen? Aus Höflichkeit klopfte
er am Haus des Coroners in der Cheapside, aber Lady Maude teilte ihm mit
schmalen Lippen lediglich mit, »der Vogel« sei »längst
ausgeflogen«.
»In seine Kanzlei im
Rathaus - sagt er wenigstens«, ergänzte sie düster.
»Und Ihr wißt ja, wo das ist, Pater?«
Athelstan lächelte
taktvoll. Als die Tür sich geschlossen hatte, führte er den
schnaubenden, wiehernden Philomel, der immer noch gegen die ungewohnt
rauhe Beanspruchung protestierte, über den geschäftigen
Marktplatz. Dann gab er die Zügel einem Pferdeknecht und betrat die
Schankstube vom »Heiligen Lamm Gottes«. Sir John saß
bereits da; vor sich hatte er zwei große leere Weinbecher und ein
paar Krumen von einer Pastete.
»Guten Morgen, Sir
John.«
Cranston rülpste leise.
»In bester Verfassung
wie immer, sehe ich«, sagte Athelstan und setzte sich zu ihm.
»Es hat schon wieder
einen verdammten Mord gegeben«, verkündete Cranston. »Erinnerst
du dich an Bernicia, Roffels kleines Flittchen? Na, sie - oder er - ist
tot. Kehle durchgeschnitten, von einem Ohr zum anderen, und das ganze Haus
auf den Kopf gestellt.« Cranston schlug mit der flachen Hand auf den
Tisch. »Weiß der Himmel - sagt man nun er oder sie?
Jedenfalls, Bernicia ist tot.«
»Bernicia führte
ein Schattenleben«, antwortete Athelstan.
»Was kümmert es
mich, wie die Kreatur lebte?« blaffte Cranston. »Gott schenke
dem armen Hund die ewige Ruhe. Aber hör dir das an, Bruder.« Er
verlagerte seine Körpermassen. »Es gibt nicht viele Orte in
London, wo jemand wie Bernicia hingehen kann. Vier oder fünf
Spelunken, alles in allem, und alle nur ein paar Schritte voneinander
entfernt.« Cranston unterbrach sich und brüllte nach einem
vollen Becher. »Für gewöhnlich kümmere ich mich nicht
um diese Häuser. Mich dauern die armen Menschen, die dort verkehren.
Aber heute morgen, nachdem ich Bernicias Leiche gesehen hatte, war ich
dort. Anfangs leugnete er, wie erwartet, aber dann förderte der
silberzüngige Wirt einen Pagen zutage, der eine Reihe von Tatsachen
auf seinen Eid nahm. Erstens: Bernicia war am Abend zuvor dort gewesen.
Zweitens: Die Hure hatte sich mit jemandem getroffen und war mit ihm
fortgegangen.«
»Und?«
»Der Junge sagt, der
Fremde könnte Bracklebury gewesen sein. Jedenfalls war es ein
Seemann, der Roffel und die God’s Bright Light kannte.«
Athelstan lehnte sich zurück
und pfiff durch die Zähne.
»Seltsam«,
murmelte er. »Ein logischer Irrtum, Sir John. Ich hatte immer
angenommen, die Schiffswache sei entweder tot oder geflohen.«
»Wenn es jemand von der
Wache war«, sagte Sir John, »dann ändert sich das Bild,
und es wird so einfach, daß man sich verwundert fragen kann, warum
wir nicht schon eher darauf gekommen sind. Der Erste Maat hat die beiden
Matrosen umgebracht und ist dann vom Schiff gesprungen. Warum oder womit
er die Tat begangen hat, wissen
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