Tod auf der Themse
»Um
Gottes willen, nicht du bist es, die da wie ein Fisch in der Kiste liegt!«
Tabitha wimmerte und wollte
sich an ihre Herrin schmiegen. Emma sah Athelstan an.
»Wann hat diese Sache
ein Ende?« fragte sie. »Seht Ihr denn nicht, Bruder, daß
diese Piraten da drinnen auch nicht besser sind als mein Mann? Sie kennen
die Wahrheit!« Sie machte auf dem Absatz kehrt und führte die
schluchzende Tabitha davon.
Athelstan kehrte zurück
zu Cranston und den anderen, die noch immer den Leichnam Brackleburys
betrachteten.
»Warum nur?«
fragte der Coroner plötzlich.
»Warum was, Sir John?«
»Bracklebury hat doch
anscheinend geraume Zeit im Wasser gelegen. Aber niemand weiß, wie
diese Male an Brust und Hals entstanden sind. Was mich allerdings wirklich
ratlos macht, ist die Frage, warum seine Leiche ausgerechnet jetzt
auftaucht?«
Cranston sah Cabe an, der an
einem Holzpfeiler lehnte. Der Zweite Maat starrte seinen toten Kameraden
an; der Schreck saß ihm immer noch in den Gliedern.
»Master Cabe, wer waren
die beiden anderen Matrosen? Wie hießen sie?«
Cabe gab keine Antwort.
»Master Cabe - die
Namen der beiden Matrosen?«
»Hä?« Der
Zweite Maat rieb sich das Gesicht. »Clement und Alain. Sie waren aus
London. Das glaube ich wenigstens.«
Athelstan schaute den
Menschenfischer an. Der bemerkte es wohl.
»Was ist, Bruder?«
»Kannst du erklären,
warum Brackleburys Leiche jetzt plötzlich auftaucht?«
»Nein, Pater, das kann
ich nicht.«
Athelstan dachte an die
Schlacht auf der Themse. Bilder huschten ihm durch den Kopf - Katapulte,
die mit Steinen geladen wurden, Galeeren, die gegen die Kogge krachten, um
sie auf der rasch fließenden, strudelnden Themse ins Schwanken zu
bringen. Plötzlich schaute der Ordensbruder lächelnd den Töten
an. »Natürlich!« flüsterte er und tappte aufgeregt
mit dem Fuß auf den Boden.
»Sir John!« rief
er. »Ich glaube, wir sollten noch einmal zur God’s Bright
Light zurückkehren. Unser guter Freund hier, der Menschenfischer, könnte
uns vielleicht helfen.«
»Wie denn?«
fragte die seltsame Kreatur.
»Hast du einen
Schwimmer?« fragte Athelstan und gab Cranston ein Zeichen, still zu
sein. »Jemanden, der keine Angst vor den Strömungen der Themse
hat?«
Der Menschenfischer grinste
ohne Heiterkeit, legte einen Finger an die Lippen und stieß einen
langgezogenen Pfiff aus.
»Icthus!«
Einer löste sich aus der
Gruppe der vermummten Phantome und kam herbei.
»Das ist Icthus«,
sagte der Menschenfischer. »Wir nennen ihn so, weil es das
griechische Wort für Fisch ist. Und wo die Fische hingehen, da kann
er ihnen folgen. Nicht wahr, Icthus?«
Icthus schlug die Kapuze zurück.
Athelstan starrte ihn an, erschrocken, abgestoßen und mitleidig
zugleich. Entweder war er entstellt zur Welt gekommen oder das Opfer einer
scheußlichen Krankheit. Obwohl noch ein Junge, war er sehr dünn
und völlig kahl. Aber die entsetzte Aufmerksamkeit aller richtete
sich auf sein Gesicht. Es war das Gesicht eines Fisches -mit schuppiger
Haut, einer kleinen, platten Nase, einem Kabeljaumaul und Augen, die so
weit auseinanderlagen, daß sie an den Seiten seines Kopfes zu liegen
schienen.
»Das ist Icthus«,
wiederholte der Menschenfischer. »Und seine Gebühr beträgt
ein Silberstück.«
Athelstan zwang sich, den
Jungen anzuschauen. »Willst du für uns schwimmen?«
Das Kabeljaumaul öffnete
sich. Icthus hatte keine Zähne, keine Zunge, nur dunkelrotes
Zahnfleisch. Das einzige Geräusch, das er von sich geben konnte, war
ein gutturaler, erstickter Laut. Aber er beantwortet Athelstans Frage mit
heftigem Kopfnicken.
»Gut«, sagte
Athelstan. »Jetzt laßt uns zu diesem gottverlassenen Schiff
zurückkehren.« Lächelnd sah er Cranston an. »Und
keine Fragen, bitte.«
Dreizehn
Die God’s Bright Light
machte sich zum Auslaufen bereit, als Cranston, Athelstan und ihre beiden
wunderlichen Begleiter an Bord kamen. Nach einer leutseligen Begrüßung
durch den jungen Kapitän hörte dieser dem Ordensbruder
aufmerksam zu und betrachtete dabei den Menschenfischer und Icthus. Dann
nickte er.
»Wie Ihr wollt, Bruder.
Aber die Themse ist ein breiter Fluß.«
Athelstan sah sich um. Die
Spuren der nächtlichen Schlacht waren restlos beseitigt. Gottlob
waren auch die toten Franzosen herabgenommen woren. Er trat an die Reling,
spähte hinüber nach
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