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Tod auf der Themse

Tod auf der Themse

Titel: Tod auf der Themse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
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ist?«
    Cranston schüttelte
     grinsend den Kopf und trank einen Schluck Wein.
    »Nein, aber vielleicht
     Bracklebury.«
    »Bracklebury?«
     rief Coffrey. »Habt Ihr ihn gefaßt?«
    »Das könnte man
     sagen, ja.«
    »Was heißt das?«
     fragte Cabe. »Was soll das alles, Sir John? Warum müssen wir
     uns von irgendeiner umnachteten Vogelscheuche von unseren Pflichten am Kai
     wegrufen lassen?«
    Cranston schaute an ihm
     vorbei zur Tür, wo Emma Roffel mit der unvermeidlichen Tabitha im
     Schlepptau erschienen war. Hinter ihr stand der schmalgesichtige,
     rothaarige Menschenfischer.
    Emma rauschte großartig
     auf den Coroner zu. »Verschwendet lieber nicht meine Zeit, Sir John!«
     Sie warf einen verachtungsvollen Seitenblick auf die Offiziere ihres toten
     Mannes. »Was gibt es denn jetzt wieder?«
    »Ihr werdet schon
     sehen! Ihr werdet sehen!« rief der Menschenfischer von der Tür
     her. »Der Mummenschanz wird gleich beginnen. Die Schauspieler warten
     schon.«
    »Los, Sir John«,
     sagte Athelstan leise. Cranston erkannte, daß die Offiziere und Emma
     Roffel im Begriff waren, sich protestierend wieder zu entfernen, und so
     kam er schwerfällig auf die Beine.
    »Dies ist keine
     belanglose Angelegenheit«, verkündete er. »Ihr folgt mir
     jetzt besser alle miteinander.«
    Der Menschenfischer, umgeben
     von seinen Phantomen, ging ihnen voraus zu seinem Lagerhaus; dort öffnete
     er die Tür und ließ sie hinein. Während Kerzen und Fackeln
     angezündet wurden, führte er sie an den grausigen, verwesenden
     Leichen vorbei, die auf dem Boden oder auf behelfsmäßigen
     Brettertischen lagen.
    Athelstan beobachtete die
     anderen. Emma Roffel, die bei diesem Anblick zwar erbleichte, mußte
     Tabitha stützen. Die Zofe umklammerte den Arm ihrer Herrin; sie hatte
     die Augen halb geschlossen und das Gesicht zur Schulter gedreht, so daß
     sie die fahlen Gesichter mit den starren, offenen Augen nicht anzusehen
     brauchte. Sogar die Seeleute, die an Kampf und jähen Tod gewöhnt
     waren, verloren ihre Arroganz. Coffrey wurde es sichtlich unbehaglich, und
     einmal wandte er sich sogar ab, weil der anstößige Gestank ihn
     würgen ließ. Endlich hatten sie die Pfeilkiste erreicht. Der
     Menschenfischer hielt eine Fackel hoch, was dem Gesicht des Toten ein
     gespenstisches Leuchten verlieh.
    »Oh, gütiger Gott!«
     Minter, der Schiffsarzt, ging in die Knie.
    Coffrey wandte sich ab.
     Peverill glotzte verblüfft. Cabe, der anscheinend seinen Augen nicht
     traute, trat näher heran und starrte dem Töten ins Gesicht.
    »Ist das Bracklebury?«
     fragte Sir John.
    »Gott schenke ihm die
     ewige Ruhe«, flüsterte Minter. »Natürlich ist er es.«
    »Erkennt Ihr ihn alle?«
    »Ja«, antworteten
     sie im Chor.
    »Mistress Roffel, ist
     das der Mann, der Euch Euren toten Gemahl nach Hause brachte?«
    »Ja«, wisperte
     sie. »Ja, er ist es.«
    »Dann verkünde und
     erkläre ich«, sagte Cranston förmlich, »daß
     dies der Leichnam des Bracklebury ist, der Erster Maat war auf der God’s
     Bright Light, ermordet von einer oder mehreren unbekannten Personen. Möge
     Gott sie alsbald der Gerechtigkeit zuführen!« Cranston deutete
     auf den Menschenfischer. »Du kannst dir deine Belohnung abholen.«
     Dann wandte er sich an den Schiffsarzt. »Könnt Ihr uns sagen,
     wie dieser Mensch zu Tode gekommen ist?«
    Minter überwandt seinen
     Abscheu; er zog die aufgedunsene Wasserleiche aus der Kiste und legte sie
     auf den Boden.
    »Braucht Ihr mich noch,
     Sir John?« fragte Emma Roffel.
    »Nein, nein, natürlich
     nicht. Ich danke Euch fürs Kommen.«
    Minter hatte den Toten
     entkleidet und untersuchte ihn sorgfältig; er drehte ihn hin und her
     wie einen toten Fisch.
    »Nun?« fragte
     Cranston.
    »Keine Spur von einem
     Schlag auf den Kopf oder einer Stichwunde. Überhaupt keine Anzeichen
     körperlicher Gewalt - bis auf die hier.« Er drehte die grausige
     Leiche auf den Rücken und zeigte auf die Schürfmale an beiden
     Seiten der Kehle und auf den großen, purpurroten Bluterguß auf
     der Brust.
    Emma Roffel, die sich zum
     Gehen wandte, rutschte auf dem feuchten Boden aus. Sie hielt noch immer
     die tränenüberströmte Tabitha am Arm. Athelstan packte ihre
     Hand.
    »Vorsicht!« flüsterte
     er.
    »Danke«,
     antwortete sie. »Wenn Ihr uns helfen könntet, Bruder…«
    Athelstan führte die
     beiden Frauen hinaus in die kalte, frische Luft. Emma Roffel schob Tabitha
     von sich. »Jetzt fasse dich, Weib!« fauchte sie.

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