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Tod Auf Der Warteliste

Tod Auf Der Warteliste

Titel: Tod Auf Der Warteliste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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zu Sgubin, als er sicher war, daß sich darunter keine Hohlräume befanden.
    Laurenti zog Latexhandschuhe an und begann mit dem Bett. Er hielt den Schlafanzug mit zwei Fingern hoch. Höchstens zweimal getragen. Dann riß er das Bettzeug herunter und knetete die Bettdecke durch. Außer Federn war nichts darin zu spüren. Ganz genau betrachtete er das Laken. Es mußte vor kurzem gewechselt worden sein und sah nicht so aus, als hätte mehr als eine Person darauf geschlafen. Anschließend nahm er die Matratze aus dem Gestell und lehnte sie an die Wand. Auch darunter befand sich nichts. Laurenti haßte diese Arbeit. In den Sachen anderer herumzustöbern war ihm zutiefst zuwider. Wenigstens machte der Haushalt einen gepflegten Eindruck, der wahrscheinlich täglich von einer Putzfrau auf Vordermann gebracht worden war. Der Arzt mußte ein überaus penibler Mensch gewesen sein. Kein Staubkorn, nicht einmal in den Ecken.
    Innerhalb kürzester Zeit glich das Schlafzimmer einer Abstellkammer der Caritas, die soeben die weihnachtliche Kleiderspende von Armani entgegengenommen hatte. Laurenti ließ Sgubin alleine weiterwühlen.
    Salon und Eßzimmer waren von bestechender Ungemütlichkeit, teuer, aber stillos eingerichtet. Als hätte Lestizza zwar das nötige Geld, aber einfach nie Zeit gehabt, sich um die Abstimmung der Farben und Stile zu kümmern. Designerstühle am Biedermeier-Eßtisch und eine schwere Anrichte aus einem friaulischen Bauernhaus des 18. Jahrhunderts stand hinter einer französischen Chaiselongue, während an der anderen Wand ein Magazinschrank aus einer Mechanikerwerkstatt der zwanziger Jahre stand. Laurenti versuchte die Anzahl der Schubladen zu schätzen. Siebzig waren es mindestens, das bedeutete einiges an Arbeit und viel Geduld. Er prüfte auch hier eine Ecke des Zimmers auf Hohlräume, bevor er den Inhalt von ein paar Schubladen auf den Boden leerte. Lauter Krimskrams. Klebstoffe und Stifte, Knöpfe und unzählige Heftchen mit Nähzeug, die Lestizza offensichtlich sammelte. Teure Hotels. Laurenti las die Aufschriften und legte eines nach dem anderen aus: »Grandhotel Vesuvio«, Neapel, das »Cipriani« in Venedig, »Villa Serbelloni« am Comer See, »Baur au Lac«, Zürich, »Hyatt« in Berlin, »Four Seasons« in Istanbul, »Hotel Lutetia«, Paris, »Hotel Gellert«, Budapest, »Atlantik« in Hamburg. Ärztekongresse, dachte Laurenti. Lestizza hatte offensichtlich gerne viel Geld für seine Übernachtungen ausgegeben und trotzdem das Nähzeug mitgehen lassen. Laurenti war sich sicher, daß im Bad Unmengen an Shampoo-Fläschchen und Seifenschachteln aus den gleichen Kästen zu finden waren. Sie würden prüfen müssen, wann er zuletzt in diesen Luxusherbergen war. Ein riesiger bürokratischer Aufwand, denn dazu mußten sie die Kollegen in den jeweiligen Orten um Hilfe bitten. Arme Marietta, sie würde demnächst keine Zeit mehr haben, sich im Büro die Nägel zu feilen. Die nächste Schublade enthielt Medikamente: Aulin und Aspirin in rauhen Mengen. Schnupfensprays, verschiedene Schlaftabletten, deren Namen Laurenti geläufig waren, weil er in der Vergangenheit immer dann damit zu tun hatte, wenn jemand den Abgang aus der Welt zu verschlafen versucht hatte. Alle Packungen waren angebrochen, bei vielen das Verfallsdatum abgelaufen. Mediziner behandelten also ihre Hausapotheke genauso nachlässig wie alle anderen. Laurenti wühlte lustlos darin herum. Dann machte er sich über die anderen Schubladen her. Batterien und Adapter, Kerzen, Steichholzheftchen, Zigarren, Armbanduhren jeder Preisklasse, Filme und Negative.
    »Ich dachte, Ärzte seien aufgeräumte Menschen«, schimpfte Laurenti. »Solche Möbel zwingen doch nur zum Chaos.«
    Er hielt die Negative gegen das Licht und versuchte vergebens, etwas darauf zu erkennen.
    Cluzot lag neben der Heizung und tat einen tiefen Seufzer, als würde er sich nur widerwillig mit dem Lärm abfinden, der ihn am Einschlafen hinderte.
    »Was hast du denn, Alter?« fragte Laurenti.
    Der Hund klopfte mit dem Schwanz auf den Boden, gähnte, stand auf, gesellte sich zu ihm und legte seinem Herrchen eine Pfote aufs Knie.
    »Ist ja gut! Leg dich wieder hin.«
    Der Hund gehorchte nicht, sondern begann plötzlich ungewöhnlich laut zu bellen. Offenbar hatte es ihm die Schublade mit den Medikamenten angetan.
    »Hast du Kopfschmerzen?« Laurenti griff nach dem Halsband und hatte alle Mühe Cluzot daran zu hindern, die Schnauze in das Zeug zu stecken. »Sitz!«

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