Tod einer Göttin (Vera-Lichte-Krimi) (German Edition)
Schreibtisch, auf dem sich inzwischen auch die Akte einer albanischen Gang eingefunden hatte.
Gestern an Nicks Küchentisch, heute an Veras.
Was war eigentlich noch mal ein Küchenkabinett?
Wenn man ein paar Leute zu sich nach Hause einlud, um zu kungeln? Wer Präsident werden soll zum Beispiel?
„Halb neun“, sagte Pit, „vorher schaffe ich es nicht.“
Woher sollte er jetzt Tulpen herkriegen? Hatte Vera ihm im Taxi nicht gesagt, wie sehr sie Tulpen im Januar liebte?
Flieder wäre schwieriger.
Vielleicht sollte er Vera mal in die Wohnung mit den Rosen schleppen. War nicht auszuschließen, dass die Bühnenfotos ihr was sagten. Obwohl die bestimmt uralt waren.
Pit beschloss, die Albaner noch liegenzulassen und sich erst einmal um die Tulpen zu kümmern.
Er zog gerade die lammgefütterte Lederjacke an, als es an der Tür klopfte. Tat hier kein Mensch. Noch irritierender war, dass keiner ins Zimmer trat.
„Herein“, brüllte Pit Gernhardt.
Ein kleiner alter Herr trat ein und nahm seinen Hut ab.
„Ich vermisse meinen Sohn“, sagte er, „ich bin ein wenig angstvoll, dass man mich zu Ihnen schickt. Ist das hier nicht die Mordkommission?“
„Wir suchen auch die Verlorengegangenen, und oft genug finden wir sie heil wieder.“
Das stimmte nicht ganz. Doch ihm war nach Trösten. Der alte Herr schien zerbrechlich.
„Seit zwei Tagen vermisse ich ihn“, sagte er. Zweifellos ein fürsorglicher Vater. Oder sprachen sie von einem Kind?
„Wie alt ist ihr Sohn?“, fragte Pit.
„Er ist im November 1945 geboren.“
Pit atmete hörbar aus. Aus Erleichterung, dass der Kelch an ihm vorübergegangen war, ein Kind suchen zu müssen und vielleicht nicht heil zu finden. Doch ihm kam auch noch was anderes in den Sinn. „Setzen Sie sich doch bitte“, sagte er, „ich hole uns Kaffee.“ Ein kleiner Aufschub.
Er schnorrte den Kaffee im Sekretariat der Pressestelle.
Der aus dem Automaten würde den alten Herrn töten.
Pit schob die Albaner-Akte beiseite und stellte das Tablett auf den Schreibtisch. Warum hielt sich das Gefühl, den Alten schützen zu müssen? Vor was?
Eine Viertelstunde später wusste er, dass er ihn nicht davor bewahren konnte, in die Rechtsmedizin zu fahren, um sich dort eine Leiche anzuschauen.
Hatte sie vor Tagen einen kleinen Schwächeanfall gehabt, dann war Anni nun kurz vor einem Kollaps.
Vera war wohl wahnsinnig geworden, ihr nicht die kleinste Vorbereitungszeit zu lassen. Sie hätte gestern noch mal die Holzböden gewachst und heute Morgen ein anderes Kleid angezogen. Nun hing das gute Schwarze bei ihr zuhause, und die Tempel hielte Anni für schlecht anzogen.
„Du bereitest deinen berühmten Kartoffelsalat, und ich gehe Würstchen kaufen“, sagte Vera und war schon draußen.
Kartoffelsalat und Würstchen. Das konnten sie doch dieser Diva nicht anbieten. Die aß Kaviar mit großen Löffeln.
Anni betrachtete das Salatbesteck aus Teakholz, das ihr Engelenburg von Java mitgebracht hatte.
Vera hatte er Seidenpantoffeln geschenkt, die mit kleinen Spiegeln bestickt waren. Die trug Anni jetzt. Ließe sich kaum erklären, warum Engelenburg die große Vera für elfenfüßig hielt. Doch die verdrängte ja selber oft genug, dass sie Schuhgröße einundvierzig hatte.
Der Hopser für den Kleinen war ein großer Erfolg. Nicholas hopste ohne Ende und wurde zu ganz neuen Schöpfungen von Silben angeregt. Deideidei.
Anni setzte die Kartoffeln auf. Gut, dass sie heute zwei Kilo von den festkochenden auf dem Markt gekauft hatte.
Äpfel und Gurken waren vorhanden und Eier und Olivenöl, um die Mayonnaise zu machen. Ging ja hier nichts mehr ohne Olivenöl. Vielleicht noch Traubenkern. Vera war ein Snob, wenn sie auch Kaviar nicht mochte.
Jana Tempel. Wann hatte Anni angefangen, eifersüchtig zu sein? Als sie in dieses Haus kam, war Nelly schon die Frau an Gustavs Seite und Vera gerade geboren.
Doch dann waren diese cremefarbenen Briefe gekommen. Nelly hatte das gar nicht mitgekriegt. Die war immer nur hinter anderen Kerlen her gewesen.
Gustav hatte sich dann mit solch einem Brief an seinen Schreibtisch gesetzt und gedankenvoll geguckt.
Nicht nur glückselig. Oft hatte er sehr ernst ausgesehen, wenn Anni ihm den Whisky brachte.
Vielleicht dachte er einfach nur, die falsche Frau geheiratet zu haben. Ob die Tempel besser als Nelly gewesen wäre?
„Deideidei“, sagte Anni. Gott. Jetzt fing sie auch noch an.
Aber was gab es auch sonst dazu zu sagen.
Die Kartoffeln vom Herd und pellen,
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