Tod einer Göttin (Vera-Lichte-Krimi) (German Edition)
fragen“, sagte Pit. „Breche ich also mal zu Jantosch auf.“
Scharrten Vera und Nick schon unruhig?
„Ihr könnt nicht mit“, sagte Pit.
„Zwei mal kurz klingeln. Dann öffnet er“, sagte Nick. Er blickte auf Pits Bildschirm und staunte.
„Wenn er es dann immer noch nicht tut, klingele bei Klenke nebenan. Ein etwa fünfzehnjähriger Junge namens Hendrik kann dir vielleicht weiterhelfen.“
Nick löste den Blick von dem Monitor. Die Wäsche hing nun auf der Leine. Die Stripperin winkte ihm nackt zu.
„Hendrik“, sagte Vera, „den Jantosch das Heinerle nennt.“
„Ich glaube doch nicht länger, dass das alles ein Zufall ist“, sagte Pit Gernhardt. Er schaltete seinen Computer aus.
Hans Kaleschke hatte den Hörer aufgelegt. Eine seltene Verweigerung, die ihm da gegenüber Jantosch gelang.
Nein. Dazu war er nicht bereit. Er nahm schon lange übel, zum Mitwisser verdammt zu sein.
Er hätte sich viel früher Stan anschließen sollen, der die Vergangenheit hatte ruhen lassen wollen.
Was trieb Jantosch? Ihn hatten die Geschehnisse im April 1945 doch am wenigsten berührt. Weniger als Janka, die in die Spaldingstraße gekommen war, um nach der Kleinen zu suchen. Das hätte ihr den Kopf kosten können.
Es hatte Janka was ganz anderes gekostet. Warum war sie so frisch gewaschen und hatte ein sauberes Kleid an, als sie bei ihnen in Hammerbrook aufgekreuzt war?
Die SS-Leute hatten Panik vor Schmutz und Krankheit.
Vielleicht hätte das Schwein sie gar nicht in seinen Verschlag gelassen, wäre sie schmutzig gewesen.
Doch Janka war am wenigsten nachlässig in ihrem Kampf gegen das Verkommen. Jantosch hatte immer behauptet, dass sie sich anbot. Vergünstigungen verschaffte.
Kaleschke trat an das Aquarium, eine Tüte in der Hand. Die Guppys kamen geschwommen. Gierig auf das Futter, das er ihnen geben würde. Liebe Tiere. Von ihm abhängig.
Im späten Herbst 1944 waren die Kinder gekommen. Nach Neuengamme. Streng abgetrennt von den anderen im Lager.
Sein Freund war einer der wenigen, die von ihnen wussten.
Kinder aus Auschwitz. Zwischen fünf und zwölf Jahre alt. Vorgesehen für medizinische Experimente.
Leontine war sechs gewesen.
Arne hatte sie am ersten Tag schon verschwinden lassen, als sie wegen einer eitrigen Wunde in die Sanitätsstation kam. In einen Sack voller schmutziger Wäsche verschwinden lassen, die er abzuholen hatte, bevor es in die Fabrik ging.
Ein Wahnsinn war das gewesen, der sie alle den Kopf hätte kosten können. Hatte es Arne nicht getötet?
Und zuletzt auch noch Henryk?
Kaleschke warf seinem Velourssofa einen kurzen Blick zu.
In diese Falle durfte er nicht mehr tappen, falls er nicht auf seinem eigenen Sofa verenden wollte, im vergeblichen Versuch wieder hochzukommen.
Vielleicht könnte er doch das Geld nehmen, dass Jana Tempel angeboten hatte. Ein neues Sofa kaufen.
Jetzt, wo er anfing, sich von Jantosch zu befreien.
Er schlurfte in die Küche, um sich einen Tee zuzubereiten.
Eine Toastwaffel dazu. Die kleinen Freuden.
Einen Tag und eine Nacht hatte Leontine mit ihm in einem Keller des Valvo-Werkes verbracht. Für diese kurze Zeit gedeckt von einer Laborangestellten, die nicht zu den Zwangsarbeitern gehörte.
Bis die Frauen das Kind in die Fruchtallee schmuggelten.
Was hatte den sechzehnjährigen Jungen, der er damals gewesen war, dazu gebracht, das kleine Mädchen retten zu wollen? Die Sehnsucht nach einer guten Welt?
Kaleschke stellte den Teller mit der Toastwaffel auf das Wachstuch des Küchentisches. Stellte noch ein Glas Nougatcreme dazu. Er hatte vor, sich zu verwöhnen.
Kolp war auch sechzehn gewesen und hatte mit Maria ein Kind gemacht. Maria, der Anfang Februar 1945 die Flucht aus der Fruchtallee gelungen war.
Vielleicht hatte das Leontines Drama eingeleitet und nicht nur der Verrat von Janka. Von da an waren die Wachleute in der Fruchtallee sehr nervös geworden.
Kaleschke leckte die Nougatcreme vom Messer.
Er beseitigte keine Leichen mehr. Das hatte er als halbes Kind lange genug getan. Tote aus Trümmer gezogen.
Hans Kaleschke genoss den Gedanken, dass Jantosch in ernste Schwierigkeiten kam.
Leo Jantosch öffnete dem Kommissar, obwohl der nur einmal geklingelt hatte. Er ließ sich die Kennkarte zeigen und bot Pit Gernhardt einen der Sessel aus sandfarbenem Wildleder an und ließ sich selber sehr vorsichtig in dem anderen nieder. Ahnte er, was auf ihn zukam?
Er hatte in seinem Leben gelernt, dem Unangenehmen mit Höflichkeit zu begegnen. Dann
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