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Tod einer Göttin (Vera-Lichte-Krimi) (German Edition)

Tod einer Göttin (Vera-Lichte-Krimi) (German Edition)

Titel: Tod einer Göttin (Vera-Lichte-Krimi) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmen Korn
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endlich gegeben.“
    Sollte Vera in diesen ersten Sekunden sagen, dass Stan Block tot war? Vera tat es nicht.
    „Ich bin jetzt bereit“, sagte Jana Tempel.
    Zu was bereit? Zum Sterben?
    Sie hörte sich an, als habe sie die letzte Ölung empfangen.
    „Bitte kommen Sie ins Hotel. Jetzt. Ich will Ihnen von der ul. Lucacz Górnicki erzählen.“
    Vera tippte ihre eigene Nummer ein, nachdem sie aufgelegt hatte. Anni musste außer sich sein. Hatte Vera ihr nicht gesagt, sie sei am späten Mittag zurück? Es war fünf Uhr.
    „Ich habe schon Fotos aufgestellt, damit Nicholas weiß, wie seine Mutter aussieht“, sagte Anni.
    „Mach mir kein schlechtes Gewissen.“
    „Doch“, sagte die liebe alte Kinderfrau. „Du bist eine liebende und gute Mutter. Anders als Nelly. Aber deine Neigung zur Außerhäusigkeit nimmt es mit ihrer auf.“
    Hatte das nicht Engelenburg gesagt?
    Auf Annis Mist war das Wort nicht gewachsen.
    „Annilein. Es steht vor der Aufklärung. Danach bin ich ohne Ende zu Hause.“
    „Ohne Ende nervt diese Tempel. Hat schon viermal hier angerufen. Ich habe ihr Nicks Nummer gegeben.“
    „Ich weiß“, sagte Vera, „ich werde noch zu ihr gehen.“
    „Gib mir mal Nick.“
    Vera hielt Nick den Hörer ans Ohr. Ein schwaches Schnattern drang noch zu ihr, bis es verstummte.
    „Du sollst zum Abendessen da sein“, sagte Nick, „und ich auch. Engelenburg hat ein Kilo gepulte Krabben gebracht.“
    „Ich weiß nicht, wann ich komme“, sagte Vera. Sie hatte keine Lust, sich drängen zu lassen, wenn Jana Tempel endlich bereit war, Wahrheiten kundzutun.
    Sie entstieg dem Taxi und dachte, dass dies ein Tag zum Knicken war. Wahrscheinlich sah sie aus, als habe sie eine Weile auf dem Bahnhof gelebt.
    Altgraf fiel ihr ein, der an dem Ufer gegenüber zu Tode gekommen war. Wie schwierig es doch war, unbeschadet durch das Leben zu kommen, und wie mannigfaltig die Möglichkeiten, es zu verlieren. Hatte er noch einmal ein bisschen Glanz anfassen wollen, als er sich vor das Hotel stellte, in der Hoffnung, Jana Tempel zu sehen?
    Der Fotograf Fritz Altgraf war zweiundachtzig Jahre alt geworden. Wäre er friedlich und sauber in seinem Bett gestorben, hätte man das gern hingenommen. Doch er hatte eine Flasche auf den Schädel bekommen.
    War ein Fotograf ein Voyeur? Loew, dem die Vaterliebe nicht genügt hatte, musste das so empfunden haben.
    Ihr hatte die Vaterliebe genügt. Gustav, der ihr all das hier eingebrockte. Jana Tempel und den Geistertrupp.
    Vera lächelte dem Doorman zu und verschwand in der Drehtür, um die Simbari Bar anzusteuern, die noch leer war. Vera guckte auf ihre Uhr. Erst halb sechs.
    Der weiße Anzug war von Escada. Vera sah das sofort.
    Dazu eine Perlenkette, die ihr bis zum Bauchnabel hing und hohe weiße Pomps. Jana Tempel hatte sich angezogen wie eine Göttin, um Vera das Bild eines tristen zweistöckigen Hauses im Krakau der Nachkriegszeit zu erklären.
    Warum hatte Vera das Bedürfnis, dieses Gerüst, das sich die Tempel da baute, ins Schwanken zu bringen, kaum dass die alte Dame auf dem Hocker saß?
    „Stan Block ist erdrosselt worden“, sagte Vera.
    Jana Tempel sagte nichts. Legte nur die Kopie des Fotos von der ul. Lucacz Górnicki auf den Tresen der Bar.
    „Mit einem roten Schal. Wie die Tote in Lutry.“
    „Seien Sie still, Kind“, sagte die Tempel. Sie bestellte ein Wasser. Ihre Hände zitterten.
    „Górnicki war ein Dichter des sechzehnten Jahrhunderts“, sagte sie, „er stammte aus Oswiecim, das zweihundert Jahre später Auschwitz heißen sollte.“ Jana Tempel atmete tief aus, bevor sie weitersprach. Es schien ihr Mühe zu bereiten.
    „Leontine kam mit einem Kindertransport aus Auschwitz, der zu medizinischen Versuchen angefordert worden war. Sie wurde durch einen Zufall davor bewahrt. Kaleschke hatte einen Freund. Arne. Er hat die Kleine aus dem Lager geholt und wurde später gehängt dafür. Keiner von uns wusste, wer ihn verraten hatte. Jantosch verdächtigte mich.
    Leontine lebte dann mit Maria und mir im Frauenlager in der Fruchtallee. Die Wachleute haben das anfangs geduldet.“
    Jana Tempel tippte auf das Foto. „Hier oben haben Henryk und sein Bruder Tomek gelebt. 1942 noch. Das Haus hatte meinem Vater gehört. Wir wohnten seit 1940 nicht mehr da. Zu Henryks Zeit war mein Vater tot und ich in einem Kloster.“
    Vera starrte sie an. „Sprechen wir von dem Henryk, den Leontine erwähnt hat?“, fragte sie.
    Die Tempel nickte. „Ich habe ihn das erste Mal in Hamburg

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