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Tod einer Queen

Tod einer Queen

Titel: Tod einer Queen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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geöffnet, ohne Kaffee, ohne Zigarette, ohne ein Glas Zuckerwasser konnten sie weder sprechen noch zuhören. Sie waren viel zu müde, zu matt oder zu durcheinander, um sich an etwas zu erinnern. Immer dieselben Fragen wurden gestellt .
    »Kennen Sie den Mann, der Nanny genannt wird? «
    »Wissen Sie, wie er richtig heißt? «
    »Vielleicht nur der Vorname? «
    »Wie groß ist er? Größer als ich? Als Ferrini? «
    Sie störten sie bei der Toilette, sahen sie im Morgenmantel über extravaganter Unterwäsche – weiße Spitze, schwarzer Chiffon, roter Satin. Sie gaben bereitwillig Auskunft, hatten es aber eilig und mußten weitermachen, sie hörten zu, während sie prüfende Blicke in den Spiegel warfen und sich zurechtmachten, die Haare bürsteten und sich schminkten und parfümierten, einsilbig oder nur mit einem Schulterzucken antworteten .
    »Hatte er irgendwelche besonderen Merkmale? «
    »Ein auffälliger Leberfleck, ein Muttermal, eine Tätowierung? «
    »Sprach er Florentiner Dialekt? «
    »Sprach er überhaupt Dialekt? «
    »Irgendeinen Sprachfehler? «
    Später, als niemand mehr zu Hause anzutreffen war, gingen sie in die vier, fünf Trattorien, wo man sich in kleinen Gruppen zum Essen traf, überraschten sie, als sie gerade dabei waren, Spaghetti aufzugabeln, Wein einzugießen, Zigaretten auszudrücken, manchmal in vollen Aschenbechern, manchmal in den Resten, die sie nicht mehr geschafft hatten. Sie antworteten, was sie wußten, stritten sich dabei untereinander oder mit verfeindeten Cliquen an anderen Tischen, und mit ihren auffälligen Kleidern und den maskulinen Stimmen lenkten sie die amüsierte Aufmerksamkeit von Paaren und Familien auf sich, die ebenfalls dort aßen .
    »Ist er, außer mit Carla und dann Lulu, noch mit anderen gegangen? «
    »Haben Sie ihn in letzter Zeit gesehen? «
    »Wann? «
    »Vor oder nach Lulus Tod? «
    »Tagsüber oder nur nachts? «
    Noch später, nachdem sie so viel Essen gesehen hatten, schlug Ferrini vor, selber etwas zu essen, wobei er annahm, daß der Wachtmeister lieber zu Hause essen und sich später wieder mit ihm treffen würde. Zu seiner Überraschung wollte der Wachtmeister nicht nach Hause gehen. Sie aßen zusammen in einem billigen Lokal, das bald schließen würde. Der eine Kellner bediente sie verdrießlich, und der andere begann, Stühle aufeinanderzustellen und den Boden zu kehren, noch ehe sie fertig waren. Als Ferrini dann darauf hinwies, daß ihre Sachen durchnäßt seien, und fragte, wohin sie als nächstes gehen würden, hoffte er, Guarnaccia würde »nach Hause« sagen .
    »Zu den Cascine.« Und so traten sie wieder hinaus in den Regen .
    Sie sprachen sie unter dunklen regenschweren Bäumen und unter den ballonförmigen Straßenlaternen an. Sie hielten sie beim Einsteigen in Autos auf, und sie erwarteten sie bei ihrer Rückkehr .
    »Hatten Sie den Eindruck, daß er reich war? «
    »Wegen seiner Kleidung? Wegen seines Autos? «
    »Welche Automarke war es? Welche Farbe? «
    »War es eine Florentiner Autonummer? «
    Erst als der Regen auf die menschenleeren nassen, schwarzen Alleen im Park fiel, gaben sie auf und fuhren nach Hause. Nach einer Befragung von etwa siebzig Personen hatten sie nicht mehr herausbekommen, als daß Nannys Auto, ein großes, teures Modell, das entweder beige, rot, dunkelblau oder schwarz war, eine Florentiner Nummer gehabt haben könnte. Ferrini hatte sich erkältet .
    Nach drei Tagen ununterbrochenen Regens, als der Arno wütend durch die Stadt schoß und die Menschen stehenblieben, um auf die Hochwassermarke unter der Brücke Santa Trinità zu schauen, wurde aus Ferrinis Erkältung eine ausgewachsene Grippe, und der Wachtmeister hatte in der ganzen Zeit außer seinem Frühstück zu Hause nichts gegessen .
    »Es sind nur noch neunzehn übrig«, sagte Ferrini, während er zwei weitere Aspirin schluckte und die Liste studierte, die auf dem Schreibtisch des Wachtmeisters lag. Tags zuvor hatte er vorsichtig angedeutet, daß man eventuell versuchen könne, das nachträgliche Einverständnis des Staatsanwalts für ihre Aktion einzuholen, so daß sie die übrigen Transsexuellen offiziell aufs Revier bestellen und sich selbst Zeit und Energie ersparen könnten .
    Der Wachtmeister hatte abgelehnt, und er lieferte auch keine Erklärung, denn er wußte, Ferrini würde annehmen, daß er den Staatsanwalt nicht verärgern wollte. Vielleicht stimmte das sogar teilweise. Er mußte aber immer daran denken, wie einer von ihnen, er wußte nicht mehr

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