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Tod einer Verrückten

Tod einer Verrückten

Titel: Tod einer Verrückten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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die Leute noch weiter vom Thema abschweifen, da sie stets darauf bedacht sind, sich zu rechtfertigen, statt knapp und präzise zu berichten, was geschehen ist .
    »Jedenfalls hat sich niemand was dabei gedacht. Nachdem die Läden geschlossen waren und auf dem Platz nichts los war, fand niemand was dabei, daß sie sich den ganzen Tag nicht hat blicken lassen, weil sie immer erst gegen Abend mit ihrer Putzerei anfängt. Da überkommt es sie eben. Sie …« Er warf einen Blick auf die Leiche. »Schon eine komische Geschichte, da gibt’s nichts. Ist mir gar nicht wohl dabei, wenn ich ehrlich sein soll. Wo war ich gleich wieder? «
    »Sie hat sich den ganzen Tag nicht blicken lassen. «
    »Nein, tja … Wir waren zufällig auch nicht da, bei meiner Schwägerin. So gegen sieben sind wir zurückgekommen. Das erste, woran meine Frau gedacht hat, als wir heimkamen, war Clementinas Abendessen. «
    »Clementina? Ist das …? «
    »Ja, Clementina! Von der reden wir doch, oder? «
    »Tut mir leid, ich hatte ihren Namen vergessen. Erzählen Sie weiter. «
    »Wir geben ihr immer ein bißchen was zu essen – nicht daß wir die einzigen wären. Wir tun hier alle unseren Teil. Ich will nicht behaupten, daß wir lauter Tugendbolde sind. Bei uns geht es manchmal ziemlich rauh zu, Sie wissen schon, was ich meine, aber wir kümmern uns um unsere Nachbarn, und ich übertreibe nicht, wenn ich sage, daß meine Frau mehr tut als die meisten, und ich habe sie nie daran gehindert. «
    Er redete und redete, bis der Maresciallo am liebsten die ganze Familie auf der Stelle heiliggesprochen hätte, wenn sein Gegenüber nur zur Sache gekommen wäre. Und während Pippo redete, waren seine Augen die ganze Zeit auf den Tisch oder auf seine Hände geheftet, und nur hin und wieder warf er dem Maresciallo einen scharfen Blick zu, ohne ihm direkt in die Augen zu sehen, um festzustellen, wie dieser alles aufnahm .
    Das Gesicht des Maresciallo war, wie üblich, ausdruckslos. Seine großen, leicht vorstehenden Augen übersahen nichts und verrieten auch nichts .
    »Ein bißchen Minestrone und Brot – sie kauft sich jeden Tag ein Stückchen Brot, aber wenn ein Feiertag bevorsteht und man gleich für zwei Tage Brot einkaufen müßte, steht sie am Ende immer ohne da. Nicht daß es viel wäre, ein bißchen Suppe und Brot – obwohl diesmal auch ein Pfirsich im Korb war, jetzt fällt es mir wieder ein, daß meine Frau das gesagt hat –, aber ältere Leute mögen kein schweres Essen. Also jedenfalls, als alles fertig war, hat meine Frau vom Fenster aus hinübergerufen, aber es kam keine Antwort. «
    Der erste Lichtblick. Das Problem bei Leuten, die etwas zu verbergen haben, ist, daß sie nicht unbedingt das verheimlichen, was man herausfinden will, und dadurch entstand jedesmal Verwirrung. Das ausgiebige Selbstlob, die Ansprache des tugendhaften Bürgers und diese kurzen, nervösen Blicke auf den Maresciallo ließen alles in allem darauf schließen, daß sich der lautstarke Streit letzte Woche zwischen Clementina und Pippos Frau abgespielt hatte. Mit anderen Worten, Pippo hatte dem Maresciallo das Veilchen verpaßt! Ob sie schneller vorankommen würden, wenn der Maresciallo ihm erklärte, er wisse Bescheid und denke nicht im Traum daran, deshalb etwas zu unternehmen? Garantiert nicht! Das hätte nur noch eine halbe Stunde mit Begründungen und Erläuterungen zum Taubenproblem zur Folge gehabt. Daher sagte er nur: »War das Fenster offen, als Ihre Frau herübergerufen hat? «
    »Weit offen. Die Läden auch. Und Sie sehen ja, wie klein die Wohnung ist. Selbst wenn Clementina geschlafen hätte, hätte sie sie gehört. «
    So, wie der Maresciallo die heisere Stimme der Frau in Erinnerung hatte, stimmte das mit Sicherheit .
    »Was haben Sie gedacht, als sie nicht reagiert hat? «
    »Ich habe sofort gedacht, ich geh lieber mal runter und rufe Franco. «
    Natürlich! Nicht die Carabinieri oder einen Krankenwagen oder irgendeine andere offizielle Stelle, sondern Franco, offenbar eine Autorität, die in dieser Angelegenheit nicht übergangen werden durfte, auch wenn er noch so seelenruhig und gütig wirkte .
    »Franco ist mit mir rausgekommen, und dann haben wir zusammen unter dem Fenster gestanden und hinaufgerufen. Fin paar andere sind auch rausgekommen und haben mitgerufen, aber sie hat einfach nicht gehört – tja, natürlich nicht, aber das konnten wir ja nicht ahnen. Unser erster Gedanke war, daß sie nach dem gestrigen Abend vielleicht ein bißchen angeschlagen

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