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Tod eines Fremden

Titel: Tod eines Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Prostituierten«, fügte Monk hinzu. »Während er perversen Vergnügungen nachging.«
    Colmans Gesicht zeigte deutlichen Widerwillen.
    »Und deswegen sind Sie hier?«, fragte er argwöhnisch.
    »Nicht direkt«, antwortete Monk. »Aber es bedeutet, dass wir ihn nicht nach etwas fragen können, das wie ein ganz ähnlicher Betrug bei Baltimore und Söhne aussieht, der fast genauso abläuft wie die Sache damals.«
    Colman setzte sich ruckartig auf. »Ein weiterer Betrug? Aber Dundas ist tot, die arme Seele. Ausgerechnet Sie müssen das doch wissen. Ihr Erinnerungsvermögen kann doch nicht dermaßen … in Mitleidenschaft … ich meine …« Er unterbrach sich.
    Monk rettete ihn aus der peinlichen Situation. »Ich erinnere mich daran. Aber an was ich mich nicht erinnere, ist, wie der Betrug damals aufgedeckt wurde … nicht im Einzelnen. Sehen Sie, diesmal sieht es so aus, als sei ein Mann namens Dalgarno verantwortlich, nur dass sein wichtigster Ankläger auch tot ist … ermordet.« Diesmal sah er das pure Mitleid in Colmans Miene. »Eine Frau«, fuhr Monk fort. »Sie war mit ihm verlobt, und dank dieser privilegierten Stellung entdeckte sie bestimmte Dinge, die Geschäftliches betrafen, hörte Gespräche mit an und sah Unterlagen, die ihr klar machten, dass etwas ernstlich nicht stimmte. Sie brachte alles zu mir. Ich habe die Sache so weit wie möglich untersucht, aber ich konnte keinen Betrug entdecken. Ein bisschen Preistreiberei, aber das ist alles.«
    »Aber sie wurde umgebracht?«, unterbrach Colman ihn und beugte sich vor.
    »Ja. Und Dalgarno wurde des Mordes angeklagt. Aber um seine Schuld zu beweisen, müssen wir den Betrug zweifelsfrei nachweisen.«
    »Verstehe.« Seine Miene machte deutlich, dass er tatsächlich vollkommen verstand. »Was möchten Sie von mir wissen?«
    »Sie waren derjenige, der damals als Erster den Verdacht auf Betrug hegte. Warum?«
    Colman runzelte die Stirn. Er war eindeutig fasziniert von dem Gedanken an einen solchen vollständigen Gedächtnisverlust, wo Monk sich doch damals so leidenschaftlich in der Sache engagiert hatte. »Sie erinnern sich wirklich nicht daran?« Er erstarrte, und seine Stimme klang belegt. »Sie erinnern sich nicht an meine Kirche? In dem Tal zwischen den alten Bäumen? An den Friedhof?«
    Monk mühte sich, aber vergeblich. Er machte sich ein Bild davon, aber rein aus der Fantasie, nicht aus der Erinnerung. Er schüttelte den Kopf.
    »Sie war schön«, sagte Colman traurig. »Eine alte Kirche. Ursprünglich normannisch, mit einer Krypta darunter, wo man schon vor rund tausend Jahren Menschen beerdigt hat. Der Friedhof war voller alter Familiengräber, fünfzehn oder zwanzig Generationen. Es war die Geschichte des Ortes. Geschichte besteht schließlich aus Menschen.« Er sah Monk eindringlich an, suchte nach dem Mann hinter der Fassade, den Leidenschaften, die er tiefer aufrühren – und verletzen – konnte als den analytischen Verstand. »Sie haben die Eisenbahnlinie mitten hindurchgebaut.«
    Jetzt regte sich in Monks Erinnerung etwas: ein milder, vernünftiger Bischof, der voller Bedauern war, aber den Fortschritt und den Bedarf an Arbeitsplätzen, Transportmöglichkeiten und den Fortschritt der Menschheit anerkannte. Es hatte einen scheuen Hilfspfarrer gegeben, der sich dafür begeisterte, das Alte zu bewahren und gleichzeitig das Neue zu befördern, und der nicht einsehen konnte, dass das unmöglich war.
    Und zwischen den beiden stand Reverend Colman, ein Enthusiast und Befürworter der ungebrochenen Kette der Geschichte, für den die Eisenbahn eine verheerende Gewalt war, die die familiären Bande mit den Toten zerriss und die Denkmäler, welche die spirituelle Verbindung lebendig hielten, mutwillig zerstörte. Monk hörte Stimmen, die sich erhoben, Angst-und Wutschreie, und sah hassverzerrte Gesichter.
    Aber Colman hatte mehr getan, als nur zu protestieren, er hatte ein Verbrechen nachgewiesen. War er das, war diese schwer fassbare Erinnerung der Beweis? Wen würde er anklagen – Baltimore oder Monk? Monk räusperte sich. Sein Hals war so eng, dass er kaum atmen konnte.
    »Man hat die Kirche abgerissen?«, fragte er.
    »Ja. Die neue Strecke verläuft genau da, wo einst die Kirche stand.« Colman fügte nichts weiter hinzu, seine Stimme sagte genug.
    »Wie haben Sie den Betrug entdeckt?« Monk zwang sich, normal zu sprechen. Er war kurz vor der Wahrheit.
    »Ganz einfach«, antwortete Colman. »Jemand erzählte mir, er habe Kaninchen auf dem Hügel

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