Tod Eines Mäzens
ein Ermittlungsbeamter sich mit seinem Thema auskannte. »Irgend so eine Klette namens Josephus hat sich als anerkannter Biograf an Vespasian drangehängt«, sagte er. »Damit hat er den Markt ziemlich abgedeckt.«
»Rebellenführer.« Ich blieb kurz angebunden. »Wurde gefangen genommen. Hätte auf der Stelle hingerichtet oder in Fesseln zum Triumphzug nach Rom geschleppt werden sollen. Gab ein oder zwei schmeichelhafte Prophezeiungen von sich, die eh auf der Hand lagen, wurde dann durch erstaunlich rasches Denken zum Verräter an der eigenen Sache.« Ich versuchte es nicht zu beleidigend für Historiker im Allgemeinen klingen zu lassen. Ich gebe mir gern einen höflichen Anstrich, zumindest solange der Verdächtige unschuldig aussieht. »Mein Bruder hat in Judäa gedient«, teilte ich Avenius freundschaftlich mit, um meine Kenntnisse zu erklären. »Ich habe gehört, dass dieser schmeichlerische Judäer in Vespasians altem Privathaus lebt.«
»Das sollte für eine unvoreingenommene Sichtweise sorgen!« Sein Mund zog sich unter einer krummen Nase zusammen, an der er recht hochnäsig hätte entlangsehen können, wenn er den nötigen Charakter besessen hätte. Stattdessen wirkte seine Rachsucht kleinlich und kraftlos.
Ich lächelte. »Vespasian wird ihm die übliche Miete abverlangen. Also – aus welchem Gesichtswinkel betrachten Sie unser Leben und die Zeiten?«
»Ich bevorzuge Unparteilichkeit.«
»Ach – keine eigenen Ansichten?«
Avenius schaute gekränkt. »Ich liste Ereignisse auf. Ich erwarte für mich keinen Ruhm, sondern möchte als eine Quelle zukünftiger Autoren benutzt werden. Das wird mich genug befriedigen.« Dann würde er tot sein und nichts davon mitbekommen. Entweder war er ein Idiot oder ein Heuchler.
»Schon etwas veröffentlicht? Mir wurde gesagt, Sie seien anerkannt auf Ihrem Gebiet.«
»Man ist freundlich mit mir umgegangen.« Die Bescheidenheit war so falsch wie das goldene Herz einer Hure.
»Woran arbeiten Sie momentan für Chrysippus?«, drängte ich ihn.
»An einer Aufarbeitung treuhänderischer Transaktionen seit der augustäischen Zeit.« Klang sehr trocken. Und das war noch generös formuliert.
»Das hat doch sicherlich nur einen begrenzten Reiz für eine normale Leserschaft?«
»Es ist eben ein kleines Gebiet«, prahlte Avenius stolz.
»Was Ihnen gestattet, dessen überragender Historiker zu sein?« Er strahlte. »Egal, ob der gewöhnliche Leser auch nur einen Quadrans für das Thema übrig hat?«
»Ich bilde mir gerne ein, dass meine Nachforschungen Relevanz haben.« Nichts brachte ihn aus dem Konzept. Ich hörte auf, meinen Atem für Beleidigungen zu verschwenden.
»Hat Chrysippus Sie bezahlt?«
»Bei Ablieferung.«
»Und wann wird das sein?«
»Wenn ich fertig bin.«
Ich spürte eine gewisse Gereiztheit. »Hat er Sie gestern wegen verspäteter Ablieferung herzitiert?«
»Wir sprachen über den Zeitablauf, ja.«
»Ein freundliches Gespräch?«
»Geschäftsmäßig.« Dumm war er nicht.
»Kamen Sie zu einer Einigung?«
»Ein neues Abgabedatum.« Das klang gut.
»Eins, mit dem Sie zufrieden waren? Oder eins, das ihm passte?«
»Oh, er stellt sämtliche Bedingungen!«
»Tja, das tat er«, erinnerte ich den murrenden Historiker ruhig. »Bis jemand ihn zu Tode prügelte und mit jeder Menge verschüttetem Zedernöl auf den Tesserae seines eleganten Mosaiks festklebte.«
Bis dahin hatte Avenius eine unbewegte Miene gezeigt, die sich auch jetzt kaum veränderte. »Ich werde von einer meiner Schreibblockaden aufgehalten«, verkündete er, ohne auf das obszöne Detail einzugehen, und kehrte beharrlich zu seinem Thema zurück. War das sein Stil? Die Öffentlichkeit würde ihn verschmähen. Außerdem hatte ich für »Schreibblockaden« nichts übrig. Ein professioneller Autor sollte stets in der Lage sein, Material auszubuddeln und es sinnvoll zu entwickeln.
»Haben Sie Chrysippus angegriffen?«, herrschte ich ihn an.
»Nein, hab ich nicht.«
»Hatten Sie einen Grund, ihn zu töten?« Diesmal schüttelte er bloß den Kopf. »Könnte irgendeiner seiner Autoren so einen Grund gehabt haben?«
»Das kann ich so nicht sagen, Falco.« Mehrdeutig. Sind Historiker sprachlich pedantisch? Meinte Avenius damit, dass er keinen Grund kannte – oder dass er einen Grund kannte, aber ihn nicht preisgeben würde? Ich entschied mich dagegen, die Sache weiterzuverfolgen; er war sich dieses Befragungsvorgangs zu bewusst. Es würde nichts bringen, ihm noch länger
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