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Tod eines Mathematikers

Tod eines Mathematikers

Titel: Tod eines Mathematikers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Herrnkind / Walter K. Ludwig
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über alle meine Kontakte versucht herauszubekommen, warum er sich umgebracht hatte. Doch welchen Bullen ich auch anrief, jeder schwieg oder behauptete, er wüsste nichts, wimmelte mich ab. So auf Granit gebissen hatte ich noch nie. Selbst dieser Harry Tenge, der versprochen hatte, sich umzuhören, kam nicht in die Puschen. Irgendwas war da faul.
    Vor meiner Abreise hatte ich mir meine alten Artikel im Archiv auf dem Rechner angesehen. Am Montag, dem 12.   Juni 1995, etwas über eine Woche nachdem Charlotte Zander verschwunden war, hatte ich das erste Mal über Die unheimliche Serie der verschwundenen Frauen berichtet. Simon Schröders Cousine Nicole war zu dieser Zeit schon fünf Jahre verschwunden. Ich versuchte, mich zu erinnern, ob sich Schröder damals irgendwie anders verhalten hatte. Doch mir fiel nichts, aber auch gar nichts ein. Mein Chef war wie immer gewesen.
    Ich hatte dann noch zwei Mal über die vermissten Frauen berichtet. Im Mai 2000, kurz nach dem Verschwinden von Julia Marx. Und im April 2005, nachdem Bianka Specht vermisst gemeldet worden war. Drei Mal hätte Schröder die Gelegenheit gehabt, mir zu sagen, dass seine Cousine zu den verschwundenen Frauen gehörte. Doch er hatte geschwiegen. Kein Wunder, dass Harry Tenge auf die Idee gekommen war, er könne etwas mit der Sache zu tun gehabt haben. Schröder war immer ein netter Chef gewesen. Doch aus seinem Privatleben hatte er so gut wie nie etwas preisgegeben. Klar, alle in der Redaktion wussten, dass er geschieden war und einen Sohn hatte, der in den USA lebte. Aber sonst?
    Ich musste unbedingt versuchen, alte Kollegen, die 1990 beim Weserblick gearbeitet hatten, ausfindig zu machen. Nach der Wende hatten viele Journalisten Bremen verlassen, waren nach Berlin oder in die neuen Bundesländer gegangen, um dort Karriere zu machen. Niemand von der alten Belegschaft arbeitete noch beim Weserblick . Vielleicht konnten sich die Kollegen daran erinnern, wie sich Schröder direkt nach dem Verschwinden seiner Cousine verhalten hatte. Den Zeitungsartikel aus dem Jahr 1990, der unmittelbar nach dem Verschwinden von Nicole Wollenbeck erschienen war, konnte ich mir noch nicht ansehen. Das Archiv des Weserblicks war erst 1995 digitalisiert worden. Die Zeitungsbände aus den Jahren davor lagen im Keller des Verlagshauses. Doch meine Kollegin, die das Archiv verwaltete, war krank.
    Auch mein Vater hatte Nicole Wollenbeck gekannt. Er hatte sie ebenfalls nie erwähnt. Jedenfalls hatte ich nichts davon mitbekommen. Vielleicht hatte er mit meiner Mutter darüber gesprochen, dass eine seiner Studentinnen verschwunden war. Auch möglich. An mir war der Fall der verschwundenen, jungen Frau als Teenager völlig vorbeigegangen. Ich hatte genug mit mir selbst zu tun gehabt.
    Dass Kühlborn nun versuchte, den Ermittlungseifer seiner Leute zu drosseln, war wirklich verdächtig. Warum riskierte ein hoher Polizeibeamter eine Anzeige wegen Strafvereitelung im Amt?
    Gab es vielleicht eine heimliche Verbindung zwischen Schröder, meinem Vater und Kühlborn? Ich mochte gar nicht darüber nachdenken. Mein Vater, mein Chef und der Leiter der Bremer Mordkommission – ein Trio von Frauenschändern?! Hatte Schröder seine Cousine entführt, während mein Vater in Kyoto gewesen war und ihm ein Alibi verschafft? Hatte Schröder seine Cousine bis zur Rückkehr meines Vaters irgendwo gefangen gehalten? Und hatten sie dann gemeinsam mit Kühlborn … Mir wurde übel bei dem Gedanken.
    Wenn Schröder etwas mit dem Verschwinden seiner Cousine zu tun gehabt hatte, wollte er logischerweise auch nicht, dass groß darüber berichtet wurde. Und Kühlborn, der Bulle, wusste, wie man Spuren beseitigte. Aber warum sollte Schröder ausgerechnet seine Cousine entführen? Das war doch viel zu riskant. Wenn sie ihm entkommen wäre, hätte sie ihn doch verpfiffen … Fragen über Fragen.
    Natürlich hatte ich versucht, mich in den Rechner meines Vaters einzuloggen, den mir die Polizei inzwischen ausgehändigt hatte. Ohne Erfolg. Über die Formeln, die auf der Anmeldeseite über den Bildschirm flimmerten, war ich nicht hinausgekommen.
    Mir war heiß, ich öffnete die Augen. Der Nebel hatte sich verzogen. Mein Gegenüber, ein Mann Mitte dreißig, dunkelhaarig, kräftig gebaut, saß breitbeinig da, grinste mich an. Sein Ding stand auf Halbmast.
    Scheiße, dachte ich, tat aber so, als hätte ich nichts geschnallt. Ich stand auf, betont langsam, ging zum Wasserschlauch, der an der Wand hing, drehte den Hahn

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