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Tod Eines Senators

Titel: Tod Eines Senators Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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zu einer unerwarteten Zusammenkunft zu eilen, bei der wir möglicherweise etwas Wesentliches erfuhren.
    Verginius Lacos Haus lag in der ehemaligen Subura, dem Gebiet nördlich des Forums, einst heruntergekommen, aber nach Neros Feuer neu bebaut und verschönert. Von dort brauchten wir weniger als eine halbe Stunde bis zu Saffias Wohnung quer über den Viminal. Der Abend war schon weit fortgeschritten, doch Saffias Räumlichkeiten lagen in fast völliger Dunkelheit. Alle, die hier arbeiteten, mussten vollkommen erschöpft und verängstigt sein. Es bringt einem wenig, jede Menge schimmernder Bronzelampen zu besitzen, wenn die Sklaven zu aufgewühlt sind, um sie anzuzünden. Und es bringt einem überhaupt nichts mehr, wenn man im Kindbett gestorben ist.
    Saffias Leiche lag unbewacht in einem schwach erleuchteten Schlafzimmer und wartete darauf, aufgebahrt zu werden. Ich hatte geargwöhnt, Licinius Lutea beim Zählen des Silberbestecks anzutreffen, aber ich hatte ihm Unrecht getan. Er saß in einem Vorraum, ganz in Gram versunken. Er weinte hemmungslos. Ich sah, wie Helena ihn einschätzte – gut aussehend mit leichtem Schielen, Anfang dreißig, schicke Kleidung, professionell manikürte Hände. Abgesehen von seiner erschütterten Selbstsicherheit angesichts seines schmerzlichen Verlustes, war er der Typ, den sie nicht ausstehen konnte. Alles sprach dafür, dass er seit Stunden so dasaß. Sie überließ ihn sich selbst.
    Helena fand den kleinen Jungen. Allein in seinem ordentlichen Schlafzimmer, schweigend und bleich, lag er zusammengerollt auf seinem Bett. Er hielt noch nicht mal ein Spielzeug umklammert. Nachdem er seine Mutter drei Tage lang in den Wehen hatte schreien hören, musste er wie versteinert sein. Als Stille eintrat, endete seine Welt. Wir wussten, dass man ihm gesagt hatte, seine Mutter sei tot, was er mit seinen vier Jahren möglicherweise nicht begriffen hatte. Niemand hatte ihm etwas zu essen gegeben oder ihn getröstet, hatte Pläne für ihn gemacht. Niemand hatte seit langer Zeit auch nur mit ihm gesprochen. Er hatte keine Ahnung, dass sein Vater hier war. Er ließ sich von Helena hochheben, nahm ihre Zuwendung aber hin wie ein Kind, das eher Schläge erwartet. Besorgt sah ich, dass sie ihn sogar nach Anzeichen dafür untersuchte. Aber ihm fehlte körperlich nichts, er war sauber und wohl genährt. Er besaß ein Regal voll mit Tontieren, und als ich ihm ein nickendes Muli hinhielt, nahm er es mir gehorsam ab.
    Wir brachten Vater und Sohn zusammen. Lutea hörte auf zu weinen und nahm den Jungen in die Arme, wobei Lucius auf seinen Vater ebenso wenig reagierte wie auf Helena, als sie ihn hochgehoben hatte. Wir wiesen ein paar müde Sklaven an, sich um die beiden zu kümmern. Es hätte ein Augenblick sein können, in dem sich Lutea vielleicht überrumpeln ließ, aber Helena schüttelte den Kopf, und ich beugte mich ihrer Menschlichkeit.
    Helena und ich gingen schweigend nach Hause, den Arm um die Taille des anderen gelegt, in gedämpfter Stimmung. Das Schicksal des kleinen Jungen deprimierte uns beide. Der kleine Lucius hatte mehr verloren als nur seine Mutter. Saffia hatte ihr Bestes für die anderen beiden getan, indem sie sie zu Negrinus schickte, aber dieser Junge gehörte Lutea. Das würde nie gut gehen. Lucius war dazu bestimmt, sein Leben lang verlassen und vergessen zu werden. Der Vater mochte die Mutter geliebt haben, aber weder Helena noch ich glaubten an Luteas angebliche große Zuneigung zu dem Vierjährigen. Der kleine Junge benahm sich, als hätte er nur sehr geringe Erwartungen. Lutea hielt seinen vermeintlich geliebten Sohn wie ein Betrunkener eine leere Amphore, starrte mit Bedauern in der Seele, aber ohne Herz über dessen Kopf hinweg.
    »Wenigstens hat er um Saffia geweint.«
    »Nein, er hat um das verlorene Geld geweint.«
    Man könnte annehmen, die mitfühlende Bemerkung sei von Helena gekommen und die harte Beurteilung von mir.
    Falsch!
    »Du findest mich sehr zynisch«, entschuldigte sich Helena. »Ich glaube einfach, dass Saffias Tod diesen Lutea um Erwartungen aus einem von langer Hand geplanten Komplott zum Ausbluten der Metelli gebracht hat – und ich glaube, er weint um sich selbst. Du, Marcus Didius Falco, der große Stadtromantiker, hasst es, einen Mann trauern zu sehen. Du glaubst, dass Lutea heute durch den Verlust seiner Herzensgefährtin und Geliebten echt bewegt war.«
    »Das billige ich ihm zu«, sagte ich. »Er ist verstört darüber, sie verloren zu haben. Aber ich

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