Tod eines Tenors
Sie mich nachdenken. Ich brach am Dienstag auf und kam Freitagabend zurück.«
»Zug oder Auto?«
»Zug. Ich möchte in London nicht Auto fahren. Das ist die Hölle.«
»Haben Sie die Fahrkarten noch?«
»Natürlich. Am Dienstag habe ich den Zug um zwanzig nach neun genommen, und gestern Abend bin ich mit dem Halbachtzug zurückgekehrt, der um zwei in Paddington losgefahren ist.«
»Und was war der Grund Ihrer Reise?«, fragte Watkins freundlich.
»Ich fuhr hin, um meinen Anwalt aufzusuchen. Ich dachte daran, mich scheiden zu lassen.«
Watkins öffnete sein Notizbuch und kritzelte etwas hinein. »Den Namen und die Adresse, bitte.«
»Also das geht zu weit!«, fuhr sie ihn an. »Warum werde ich wie eine Kriminelle behandelt? Was kann ich dafür, dass mein Mann im Rausch umkippt, wenn ich nicht zu Hause bin?«
»Der Name des Anwalts, bitte«, entgegnete Watkins geduldig.
»Dutton, Faber und Dutton. Queen Anne Street.«
»Und was haben Ihnen die Herren Dutton, Faber und Dutton geraten?«
»Sie haben mir die notwendigen Schritte erläutert. Das ist reichlich kompliziert, weil unser Hauptwohnsitz in Mailand ist.«
»Zumindest das müssen Sie jetzt nicht mehr durchmachen.« Evan hatte eigentlich etwas Nettes sagen wollen. Aber es kam ganz falsch heraus, und sie sah ihn ärgerlich an.
»Mein Mann mag mich ab und zu sehr wütend gemacht und mich oft zur Weißglut getrieben haben, Constable, aber glauben Sie mir, ich hätte ihm niemals den Tod gewünscht.«
»Hat er Sie je geschlagen, Mrs. Llewellyn?«, fragte Watkins.
Sie sah ihn erneut überrascht an. »Wer, um alles in der Welt, hat Ihnen das erzählt? Ifor war ein alter Softie. Bei Bambi und Dumbo musste er immer weinen. Die einzige Person, die er nach meiner Erinnerung je geschlagen hat, war ein Paparazzo, der unsere Tochter belästigte. Ifor war ihr gegenüber immer sehr fürsorglich, obwohl sie sehr gut selbst auf sich aufpassen kann.«
»Ihre Tochter kommt also nicht zusammen mit Ihrem Sohn hierher?«
»Sie wird zur Beerdigung kommen, die wir aber nicht festsetzen können, bevor uns Ihre Leute die Leiche überlassen. Natürlich hat das Ganze sie sehr mitgenommen, die Ärmste. Zudem ... sie hat es derzeit nicht leicht - sie steht im Beruf stark unter Druck. Sie arbeitet in der Modebranche, wissen Sie. Ihr Vater war damit ganz und gar nicht einverstanden. Für ihn gab es nur eine Möglichkeit, Karriere zu machen, und das war Musik. Sie sollte die beste Sopranistin der Welt werden. Er hat davon geträumt, eines Tages Duette mit ihr zu singen. Aber so war Ifor - ein Träumer.« Sie seufzte tief.
»Und Ihr Sohn, hat der eine Musikkarriere eingeschlagen?«, wollte Watkins wissen.
»Wie denn?« Sie wirkte belustigt. »Justin ist völlig unmusikalisch«, erklärte sie. »Er behauptet, kein Gehör für Tonhöhen zu haben, aber ich glaube, er tut nur so, um seinen Vater zu ärgern.«
»Die beiden sind also nicht gut miteinander ausgekommen?«, fragte Evan.
»Sie... waren in vielen Dingen nicht einer Meinung. Justin war ein sehr sensibles Kind, und Ifor hat...
hatte ... so etwas Rücksichtsloses gegenüber allen, die schwächer waren als er. Nehmen Sie den armen Mostyn Phillips - er hat es schon immer geliebt, Mostyn aufzuziehen. Mostyn nahm immer alles so ernst, Ifor dagegen hat kaum je etwas in seinem Leben wirklich ernst genommen.«
»Wir haben gerade über Ihren Sohn gesprochen, Mrs. Llewellyn«, erinnerte sie Evan. »Haben er und sein Vater miteinander gestritten?«
Sie blieb stehen und sah die beiden Polizeibeamten unverwandt an. »Worauf wollen Sie eigentlich hinaus, Constable? Gibt es etwas im Zusammenhang mit dem Tod meines Mannes, das Sie mir verschwiegen haben?«
»Wir müssen die Ergebnisse der Laboruntersuchungen abwarten, Madam«, antwortete Sergeant Watkins für Evan. »Im Augenblick setzen wir die Einzelheiten eines Unfalls zusammen.«
»Um Ihre Frage zu beantworten, Constable«, sagte Mrs. Llewellyn und ging wieder weiter,
»stimmten mein Mann und mein Sohn darin überein, dass sie unterschiedliche Auffassungen hatten.
Jeder lebte sein eigenes Leben. Mein Sohn hat seinen eigenen Freundeskreis, in Italien.«
»Verstehe.« Sergeant Watkins nickte. »Können wir mit ihm sprechen, wenn Sie vom Flughafen zurück sind?«
»Dann darf ich jetzt also meinen Wagen holen?«
Sie waren an der Rückseite des Powell-Jones'schen Hauses angekommen. Durch eine Lücke in der großen Eibenhecke gelangte man in den hinteren Teil des Gartens. Mrs.
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