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Tod für Don Juan

Tod für Don Juan

Titel: Tod für Don Juan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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nicht.
     
     
     

46
     
    Zu
gern registriere und beobachte ich.
    ( Jonson ,
Volpone)
     
    «Das darf doch nicht wahr
sein!» sagte Morse.
    Lewis selbst hatte vor wenigen
Minuten den Anruf des Londoner Kollegen entgegengenommen.
    «Von einem Auto angefahren, als
sie gegen halb sechs die Straße vor dem Bahnhof King’s Cross überqueren wollte. Eine
Mrs. Downes. Aus Oxford. Laut Personalausweis Mrs. Lucy Claire Downes, Lonsdale
Road.»
    «Tot?» hatte Lewis gefragt.
    «Sie liegt im St.Pancras
Hospital auf der Intensivstation. Näheres wissen wir noch nicht.»
    «Hatte sie einen Koffer bei
sich?»
    «Wir haben keine weiteren
Einzelheiten, Sergeant. Sie hatte es wohl eilig, und da —»
    Morse setzte sich und stützte
die Stirn in die rechte Hand. «Verdammter Mist!»
    «Mit der Circle Line braucht
man etwa zwanzig Minuten von King’s Cross nach Paddington. Sie wollte wohl noch
den Sechs-Uhr-Zug erreichen, hat sich beeilt, über die Straße zu kommen, und da
—» Lewis war sichtlich erschüttert.
    «Eine intelligente Frau, die in
der Londoner Rush-hour blindlings über die Straße läuft... das glauben Sie doch
selber nicht, Lewis! Halten Sie es nicht für plausibler, daß sie einen Stoß
bekommen hat? Haben Sie mich verstanden, Lewis? Einen Stoß...»
    «Wie können Sie so was sagen?»
    Morse saß noch ein paar
Sekunden regungslos da. Dann erhob er sich langsam, mit zornblitzenden Augen.
«Das war sein Werk, Lewis!»
    «Aber er war in Oxford.»
    «Eben nicht! Er hat gar nicht
auf dem Bahnsteig gewartet, sondern war gerade ausgestiegen. Als er uns sah,
drehte er sich geistesgegenwärtig um und tat, als warte er auf die Frau, die er
gerade versucht hatte umzubringen. Er hat sie ja geliebt, wahrscheinlich hat er
außer seiner Lucy nie eine andere Frau geliebt. Und als er sie mit Kemp im Bett
liegen sah... Das Bild ging ihm einfach nicht mehr aus dem Kopf. Und ich bin
ein Trottel, Lewis. Dieser Schlüssel, den die Kollegen unter der Fußmatte im
Wagen gefunden haben oder wo auch immer... Ich hatte mir gleich gedacht, daß
Downes zu seinem Wagen wollte, um etwas zu verstecken, und habe ihm deshalb den
Unfug mit dem Hörgerät durchgehen lassen. Als sie mit dem Schlüssel ankamen,
wußte ich sofort, was ich vor mir hatte — den Schlüssel zu einem
Gepäckschließfach. Und jetzt verraten Sie mir mal, Lewis, wie er an den
Schlüssel gekommen sein soll, wenn er sich nicht mit seiner Frau getroffen
hätte.»
    «Tatsächlich?» staunte Lewis.
«Der Schlüssel zu einem Gepäckschließfach, Sir?»
    Morse nickte. «Auch den Bahnhof
kann ich Ihnen nennen. Oder wollen Sie einen Tip riskieren?»
    «King’s Cross.»
    «Könnte natürlich auch
Paddington sein.»
    «So ein Schuft», knurrte Lewis
mit einer für ihn ungewohnten Gemütsbewegung.
    Morse lächelte leicht. «Sie
mögen Lucy Downes, nicht?»
    «Eine reizende Frau.»
    «Das fand Kemp offenbar auch.»
    «Vielleicht—» setzte Lewis an.
    «Nein, nein, wir dürfen kein
Mitgefühl an Kemp verschwenden. Lassen Sie sich ins Krankenhaus fahren und
reden Sie mit ihr. Sie können unterwegs ein bißchen schlafen. Und dann fahren
Sie nach King’s Cross und sehen sich Schließfach 67 an. Falls Sie was darin
finden, bringen Sie es mit. Wenn Sie eine regelrechte Aussage von ihr bekommen
können — um so besser. Ansonsten hören Sie sich einfach an, was sie zu sagen
hat.»
    «Und wenn sie... soll ich ihr
sagen, daß wir ihn hier festhalten?»
    «Vielleicht lieber nicht... ich
weiß nicht recht... das müssen Sie an Ort und Stelle entscheiden.»
    «In Ordnung, Sir.» Lewis stand
auf und ging zur Tür. Dort blieb er noch einmal stehen. «Haben Sie schon mal
daran gedacht, daß es Mrs. Downes gewesen sein könnte, die Kemp umgebracht hat?
Daß Kemp schon tot war, als ihr Mann ins Haus kam, und daß er sie nur decken
will?»
    «Ja, Lewis, ich habe alle
Möglichkeiten erwogen — einschließlich Lucy Downes...»
    «Und Sie glauben nicht—»
    «Ich glaube nicht, daß Sie in
London gefährdet sind. Und ich glaube nicht, daß Sie bei einem Besuch am Bett
einer halb bewußtlosen jungen Frau in der Intensivstation befürchten müssen,
erstochen zu werden.»
    Lewis lächelte matt und griff
in die Tasche, um sich zu vergewissern, daß er den braunen Umschlag mit dem
kleinen roten Schlüssel noch hatte, auf den die Nummer 67 geprägt war.
    Nach der gerade beendeten
nochmaligen Lektüre des Sommernachtstraums war Janet Roscoe (die früher
einmal Schauspielerin gewesen war) nicht mehr ganz so fest

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