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Tod im Albtal

Tod im Albtal

Titel: Tod im Albtal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Klingler
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tun kann? Oder für den Witwer? Kann ich noch weiteren Trost spenden? Manchmal bemerkt man erst mit Verspätung, welchen Verlust man erlitten hat. Aber auch dann ist Gott noch da, um zuzuhören.«
    Ich runzelte die Stirn.
    »Gott ist nämlich immer da!«, sagte er streng. »Er geht nicht weg!«
    »Danke. Sie waren am Vortag des Mordes bei Schmieds eingeladen?«
    »Aber ja.« Er rollte die Augen zur Decke, seufzte und faltete seine blassen Hände. Wie alt mochte er sein? Vielleicht Anfang sechzig, höchstens. »Die Wege des Herrn sind unerforschlich. Wenn man damals gewusst hätte, dass der irdische Weg der Friederike Schmied so bald zu Ende sein würde.«
    »Einer hat es gewusst, und das war nicht unbedingt Gott.«
    Ein Junge klopfte an, brachte etwas wie eine Rechnung. Johannes Martin zeichnete sie ab. Der Junge verschwand, nicht ohne mir einen unverhohlen lüsternen Blick zuzuwerfen.
    Ich dachte: Du armer Tropf. Du wirst wahrscheinlich im späteren Leben gerade mal ein Monatsgehalt verdienen, das dem Wert der Klamotten entspricht, die ich heute trage. Aber guck ruhig, man darf ja träumen.
    Kalt wandte mir Johannes Martin seinen ausdruckslosen Blick zu. »Wie meinen Sie das?«
    Er sah selbst aus wie einer seiner Fische, dachte ich.
    »Ihr Mörder. Ich glaube übrigens, dass der Mörder ihr eigener leiblicher Vater war.«
    Das war eine Bombe. Aber nach Wochen des Herumschleichens und Antastens war ich auf Attacke eingestellt. Ich wollte endlich mal einen richtigen Stein ins Wasser werfen und sehen, wie er Kreise zog.
    Johannes Martins Hand zuckte, als wollte er angesichts solcher frevelhaften Worte das Kreuz schlagen. »Wie können Sie so etwas Furchtbares sagen?«
    »Friederike hatte nicht allzu lange vor ihrem Tod Informationen über ihre Familie erhalten, die sie zuvor nicht besaß. Sie kannte nun den Namen ihres eigentlichen Vaters.«
    »Was wollen Sie damit sagen? Was geht mich das an?«
    Ich sagte nichts.
    »Moment mal, mein Kind.« Johannes Martin ballte die Faust, sodass die Knöchel weiß hervortraten. »Sie wollen doch nicht etwa …«
    Ich kann es nicht leiden, von Männern, die nicht mindestens eine Generation älter sind als ich oder zu meiner Familie gehören, mit ›Kind‹ angesprochen zu werden.
    »Sie wissen wohl nicht, mit wem Sie sprechen!«, sagte er wütend. »Ich habe mein Leben dem Herrn gewidmet.«
    »Das sehe ich. Aber auch Priester sind … Menschen. Oder waren es mal.«
    »Ich kannte diese Frau doch kaum. Und ich weiß nicht einmal, wer ihre Mutter ist oder war.«
    »Marianne Grüber. Sie war Friseurin. Mobile Friseurin.«
    »Das sagt mir nichts. Hören Sie, ich habe zu tun. Und ich finde Ihr Auftauchen hier reichlich merkwürdig. Dreist. Weiß die Kriminalpolizei eigentlich, dass Sie hier sind? Ich werde anrufen.«
    »Tun Sie das. Vielleicht gelingt dann der Beweis, dass Sie Friederike und ihre Mutter doch besser gekannt haben.« Jetzt fühlte ich mich nicht mehr ganz so gut.
    Es war tatsächlich kühn, was ich hier behauptete. Außer der Tatsache, dass der Mann auf der Toilette im ersten Stock gewesen war, gab es nicht den geringsten Beweis, dass er etwas mit Friederike zu tun hatte. Doch er hatte etwas an sich, was mich reizte, ihn weiter in die Enge zu treiben.
    »Friederike hat eine Andeutung gemacht. Zu verschiedenen Leuten. Es sei eine Überraschung und eine Enttäuschung. Und sie sei nicht gerade stolz auf diesen Vater.«
    »Mir fehlen die Worte«, sagte er mit plötzlich hochrotem Kopf. »Ich rufe die Polizei. Wie weit geht die Verunglimpfung der Kirche in diesem Land?«
    »Sie waren schließlich nicht immer Priester«, erklärte ich. »Als Priester wird man nicht geboren, aber als Mann.«
    Ein junger Kerl streckte den Kopf in den Raum. »Alles okay, Pater?«
    »Ja, Ron, danke. Ich komme gleich zu der Gruppe.« Er wandte sich wieder mir zu. »Wir haben gleich eine Führung. Eine Schulklasse aus Gernsbach. Wollen sich über Forellenzucht informieren. Nein, ich war nicht immer Priester. Aber ich bin nicht der Vater von Friederike. Ich habe ihre Mutter nicht gekannt. Niemals von ihr gehört.«
    Es fiel mir schwer, fest zu bleiben. Irgendwo hatte man ja doch Respekt vor der Entscheidung eines Mannes, sein Leben ohne Frau und ohne Sex zu verbringen. Obwohl mein eigener Mann auch nicht so sehr viel anders lebte, wenn ich es mir recht überlegte.
    Ich musste mich zwingen, weiterzusprechen. Ein Blick auf meine neue Rolex mit den rosafarbenen Blüten auf dem Ziffernblatt gab mir Kraft.

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