Tod im Albtal
reden, da ich sogar noch mit einem Irokesenschnitt gut aussehen würde. In diesem Fall griff ich sofort an: »Würdet ihr mich als Beauty-Coach wollen, wenn ich unansehnlich wäre? Ihr beauftragt doch auch keinen Architekten, der selbst in einem geschmacklosen, baufälligen Haus lebt, oder?«
Aber der Salon Stolze war wirklich ein absolutes No-Go . Nicht nur die Lage in dieser nahezu boutiquenfreien Seitenstraße, im Inneren sah er auch keineswegs so aus, als würde dort wenigstens eine Latte oder ein schöner Prosecco serviert, um das Warten auf den Meister zu versüßen – einen Meister, der die Haare nur einmal spielerisch hochhob, einem das Gesicht in den Spiegel drehte, um dann mit französischem Akzent zu säuseln: »Siehssstt du, soooo!«
Frau Stolze, die mir einen drallen Po entgegenstreckte, während sie gerade ein verschlissenes Handtuch vom Boden aufhob, sah hingegen aus wie eine Karikatur ihres Berufsbildes. Nicht mehr jung, deutlich über der offiziellen Rentengrenze. Klein, drall, mit gefärbter Hochfrisur, grell geschminkt, kecke Jeans, Pumps und ein professionelles Friseurinnenlächeln. Sie richtete sich auf und taxierte mich blitzartig.
»Kleines Momentle!«, versprach sie, badisch ungenau, angesichts zweier noch wartender ältlicher Herren. Ich ließ mich vorsichtig auf einen der wackligen Wartestühle nieder. Neben mir tickte eine Uhr im Retrolook, die eigentlich auf den Flohmarkt gehörte. In der Ecke stand ein Besen, der schon bei der Einweihung des Ladens Pate gestanden haben mochte.
»Lesen Sie so lange ein bisschen in der Bunten. Die Caroline von Monaco hat jetzt einen Hund. Einen Dackel«, riet mir Frau Stolze, mein Unbehagen offenbar mit jenem Sensor spürend, den Friseurinnen mit den Jahrzehnten erwerben.
Beinahe hätte ich der kleinen Person verboten, den Namen meines Vorbildes in den Mund zu nehmen. Egal durch welche Kümmernisse sie auch ging – Prinzessin Caroline sah einfach immer gut aus. Neben ihr hatte dieser verlebte Welfenprinz doch immer wie ein billiger Schausteller gewirkt.
Sogar Elena, fast die einzige Frau aus unseren Kreisen, die meine Dienste niemals brauchen würde, hatte die Monegassin kürzlich gelobt. »Sie wird älter, aber sie bleibt in Würde stilsicher!«, war ihr kurzes, kühles Urteil, und wenn eine das beurteilen konnte, dann sie. Einer Lady wie ihr, die ständig auf Empfänge eingeladen war, wo es leckere Häppchen zu essen gab, und dennoch seit vierzig Jahren ihr Gewicht hielt, konnte man als Frau nichts mehr empfehlen.
So nahm ich neben dem verbleibenden älteren Herrn Platz, der mich immer wieder wie eine Erscheinung von der Seite ansah, und wartete. Betrachtete die Frau im gegenüberliegenden Spiegel und versuchte, sie mit den Augen der anderen zu sehen. Wurde ich eigentlich sichtbar älter, stellten sich erste Falten ein, und verblasste der Glanz, von dem ich lebte?
Noch war nichts zu entdecken. Dank Dr. Denese, einer äußerst geschäftstüchtigen Kosmetikerin aus den USA , deren gesamte teure Produktpalette mir Botox ersparte. Ich schnitt eine kleine Grimasse. Würde ich eine schön alternde Frau werden oder eine alternde Schöne?
»So, was machen wir denn bei Ihnen?«
Die kleine Friseurin hatte die beiden älteren Herren einen nach dem anderen verarztet, ihnen den faltigen Nacken mit einer Quaste sauber gewedelt und sie mit einem Küsschen auf die Wangen verabschiedet. Sie sprach starken nordbadischen Dialekt und wirkte herzlich.
Um nichts in der Welt hätte ich dieser Frau allerdings auch nur ein einziges meiner Haare anvertraut. Andererseits musste ich ihr einen Köder hinwerfen, wenn ich sie aushorchen wollte.
»Ich dachte an eine neue Koloration. Allerdings eher langfristig, aber ich wollte mich jetzt schon mal beraten lassen«, log ich, ohne rot zu werden. Ich habe allzeit gut und verlässlich gelogen. Wenn du als Teenager gleich mit drei vielversprechenden Jungs gleichzeitig ausgehst und jeder denkt, er ist der Einzige, lernt man das Lügen.
Vorsichtig ließ ich mich auf dem scheußlichen Plastikstuhl nieder. In diesem Salon war seit den siebziger Jahren nichts mehr passiert. Ich fragte mich, ob sie noch mit einem Plätteisen Quetschlocken in die Haare presste.
Dennoch war ich stolz. Schließlich hatte ich nicht viel Erfahrung als Detektivin und fand, ich hatte es bisher sehr geschickt angefangen. Ich würde dem überheblichen Hagen Hayden beweisen, dass man einen Mord in meinen Kreisen nur aufklären konnte, indem man sich in
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