Tod Im Anflug
so was? Bernd in Spendierhosen!
Damit ihm niemand zuvorkam, jagte Tom unter Zuhilfenahme seiner Flügel auf die unverhoffte nächste Mahlzeit zu. Futterneider gab es schließlich genug. Vor allem musste er auf die dreisten und allgegenwärtigen Möwen achten. Diese verfressenen Biester stürzten sich von hoch oben auf alles, was auch nur annähernd nach Futter aussah; meist noch, bevor er selbst am Ziel war. Oft genug hatte er das Rennen gegen sie verloren, und das wollte er nun auf jeden Fall vermeiden. Schließlich hatte er sich ja schon vorhin im Duell gegen den Kommissar geschlagen geben müssen.
Glücklich, den Möwen zuvorgekommen zu sein, durchforstete seine empfindliche Schnabelspitze den weichen, saftigen Teppich aus Kräutern und Blüten, in dem die Krumen versunken waren. Seinen Besuch bei Ede verschob er.
»Nun glaub es mir doch. Wenn ich es doch sage. Alles ist gut!« Bernds Stimme drang gedämpft zu Tom herüber, der seinen Schnabel wie eine gierige Staubsaugerdüse zwischen den Grashalmen und Blumenstängeln hin und her schob.
Er horchte auf. Die teilbare Wohnwagentür war nur zur Hälfte geschlossen. Selbst wenn er gewollt hätte, hätte er es nicht verhindern können, Bernds Telefonat mit anzuhören.
Wenn es nicht für andere Ohren gedacht ist, darf er auch nicht so laut reden,
legitimierte Tom seine Neugier, der ureigenen Berufskrankheit aller Detektive und Kommissare.
»Ich habe alles im Griff. Ruhig bleiben – das ist das Geheimnis. Verstehst du? Niemand wird merken, dass ich etwas abgezweigt habe.«
Das war ja interessant. Tom futterte fleißig weiter und sperrte dabei die Lauscher auf. Nach einer kleinen Pause hörte Tom ihn wieder sprechen.
»Meine Güte, alles ist paletti. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen.«
…
»Also gut, pass auf, ich erzähl dir mal was, ja? Hör gut zu.«
…
»Nein, keine Geschichte. Die Wahrheit. Ehrenwort. Habe ich dich jemals angelogen?«
…
»Ich will dir ja nur klarmachen, mit wem du es hier zu tun hast. Also: Vor langer Zeit habe ich mal eine Bank überfallen und bin davongekommen. Was sagst du jetzt?«
…
»Da fragst du noch? Na klar – mit der Beute.«
…
»Knast? Ich? Sehe ich etwa so aus? Mein Kumpel ist damals in den Bau gegangen. Die Bullen wissen bis heute nicht, dass ich der zweite Mann war.«
…
»Ach der. Tja, hat Pech gehabt. Fünfzehn Jahre hat er gekriegt. Ein paar Jährchen hat er wohl noch.«
…
»Ich wollte dir nur damit verdeutlichen, dass du dich auf mich verlassen kannst. Ich weiß, was ich tue. Kannst ja gleich mal vorbeikommen, dann erzähl ich dir die ganze Geschichte. Aber pass auf, dass dich niemand sieht. Hier ist viel Polizei auf dem Platz …«
…
»Ja, ist ja gut, bis gleich.«
Bernd hatte aufgelegt, und Tom kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Erst erzählte Bernd, dass er irgendwas »abgezweigt« hätte, und dann brüstete er sich auch noch mit einem Banküberfall. Der Typ war ja kriminell! Und bald schon würde ein weiterer Krimineller hier auftauchen, denn etwas anderes konnte Bernds unbekannter Telefonpartner ja wohl nicht sein.
Tom spürte, wie ihn die Aufregung packte, er wollte jetzt unbedingt wissen, mit wem Bernd telefoniert hatte, und sehen, wer hier auftauchen würde. Jemand vom Campingplatz? Oder ein Unbekannter? Vielleicht sogar Charlie? Wenn einer zu einem Bankräuber wie Bernd passte, dann war es eindeutig Charlie, da biss die Maus keinen Faden ab. Ob beide etwas mit Alex’ Tod zu tun hatten? Gemeinsam vielleicht sogar den Plan geschmiedet hatten, Alex zu vergiften? So könnte es gewesen sein, schließlich hatte Luzie ausgesagt, dass Charlie im Restaurant gewesen war. Die beiden brauchten dann nichts weiter zu tun, als abzuwarten, möglichst unter Zeugen, schon hatten sie ein wasserdichtes Alibi.
Doch wie passten Neptunus und Tiger ins Bild? Warum waren sie gestorben? Waren sie unbeabsichtigt zu Opfern geworden und zufällig über vergiftete Happen gestolpert? Oder waren sie etwa Versuchskaninchen, die Alex’ Mörder benutzt hatte, um an der richtigen Dosierung des Giftes zu arbeiten?
Während Tom noch grübelte, sah er Jupp über den Hauptweg direkt auf Bernds Wohnwagen zusteuern. Der Hafenmeister marschierte über die kleine Wiese, ohne Tom zu beachten, und klopfte an den Caravan. Wieso kam
der
jetzt – und nicht Charlie, wie erwartet?
»Ich hatte ja gesagt, dass ich vorbeikomme«, sagte Jupp, nachdem Bernd auf sein Klopfen hin an der Wohnwagentür erschien. »Wir
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