Tod im Beginenhaus
sagt, er müsse schlafen. Ich konnte ihn nicht dazu bewegen, mir die Arzneien zu mischen.»
«Das wundert mich nicht. Ihr habt gestern Abendviel zu lange im Laboratorium gehockt. Vater verträgt das lange Aufbleiben nicht.» Verbissen scheuerte sie weiter den Sand über die Topfwände. Knurrend packte der Medicus sie am Arm und drehte sie zu sich um.
«Wäret Ihr jetzt wohl so freundlich, mir die Arzneien zuzubereiten? Es ist wichtig; ich muss sie noch heute zu meiner Patientin bringen.»
Adelina starrte ihn sekundenlang schweigend an, dann riss sie sich los und ging zur Tür.
«Verratet Ihr mir, wem oder was ich Eure schlechte Laune zu verdanken habe?» Sie betrat die Apotheke und lehnte sich mit dem Rücken gegen den Tresen.
«Die Eure scheint mir auch nicht viel besser.» Burka schloss die Tür hinter sich und blieb mitten im Raum stehen.
Adelina zuckte mit den Schultern. «Wie man in den Wald hineinruft …» Sie hielt kurz inne. «Im Hospital gab es noch einen Toten. Ein Junge in Vitus’ Alter.»
Der Medicus hob die Brauen. «Die gleiche Krankheit?»
Sie nickte. Stirnrunzelnd schlenderte er zu einem der Regale und betrachtete die aufgereihten Dosen. «Vielleicht solltet Ihr Euch nicht so oft im Hospital herumtreiben.»
«Und warum nicht?»
Er drehte sich wieder um.
«Weil Ihr Schaden nehmen könntet.»
«Macht Euch nicht lächerlich. Ich habe meine Gründe, dort zu helfen.»
«Mag sein. Fangt Ihr nun bitte mit den Arzneien an? Ich benötige gemahlenen Kalmus und eine Kräutermischung gegen Halsentzündung. Habt Ihr Salbeiblätter und Kamille?»
«Natürlich.» Sie öffnete verschiedene kleine Kästchen und entnahm ihnen die gewünschten Kräuter. «Ihr solltet noch Eibisch dazugeben», sagte sie. «Bockshornklee hilft auch sehr gut, doch um diese Jahreszeit gibt es keinen mehr.»
«Danke danke, ich weiß ja nun schon, dass Ihr Euch auskennt.» Der Magister sah ihr beim Mischen der Kräuter zu. «Magister Arnoldus will seine Stellung an der Universität abgeben. Er sagt, er sei zu alt, um sich täglich um eine Horde aufmüpfiger Scholaren zu kümmern. Er hat mich gefragt, ob ich sein Nachfolger werden will.»
«Und das erzürnt Euch so?» Adelina verschnürte das Säckchen mit dem Kalmus und legte es neben den Beutel mit der Halsmedizin.
«Ich bin kein Mitglied der Fakultät.» Burka nahm die beiden Kräuterpäckchen und ging zur Tür. Adelina folgte ihm.
«Der Papst hat für die Magister Pfründen vorgesehen. Wenn Arnoldus für Euch vorspricht, könnt Ihr sicher Mitglied der Fakultät werden.»
«Nein, das kann ich nicht», fuhr er sie an. Überrascht hob sie die Brauen. Mit finsterem Blick stapfte der Medicus die Stiege hinauf. Nur wenig später hörte Adelina, wie er wieder herunterkam und ohne Abschiedsgruß das Haus verließ.
Sie erledigte ihre häuslichen Arbeiten, brachte Vitus dazu, sich zu einem Nachmittagsschläfchen hinzulegen, und ging dann in ihre Kammer, um sich umzuziehen. In ihren abgetragenen Wollmantel gehüllt, trat sie schließlich auf die Straße. Sie war froh um die Haube aus festem Leinen, denn ein eisiger Wind wehte und trieb trockenes Laub durch die Gassen und überden Alter Markt, das sich unter dem Querbalken des Kax verfing, an dem heute einmal kein Unglücklicher die Schmähungen seiner Mitmenschen erdulden musste. Eine Meise hockte auf einer der Eisenfesseln und zwitscherte unmelodisch. Viele Händler hatten zeltartige Schutzdächer über ihren Verkaufstischen aufgespannt. Das Stimmengewirr der Käufer und die Rufe der Marktschreier verfolgten Adelina ein ganzes Stück, bis sie schließlich in eine andere Straße abbog. Sie wollte zur Universität und dort mit dem alten Medicus sprechen.
Magister Arnoldus freute sich sichtlich, sie zu sehen. Er war ein untersetzter Mann mit deutlichem Bauchansatz und zerfurchtem, freundlichem Gesicht. Ein grauer Haarkranz war ihm geblieben, sodass er sich keine Tonsur mehr zu scheren brauchte.
«Adelina, Mädchen, wie schön, Euch einmal wieder zu sehen! Wie ich hörte, wohnt der neue Medicus jetzt bei Euch? Ich hoffe, er weiß Eure Kochkünste zu schätzen!»
«Er stopft sich das Maul, als gäbe es morgen nichts mehr.» Adelina setzte sich auf den Wink des alten Mannes zu ihm an den klobigen Tisch, der ihm als Schreibpult diente. Er lachte rau.
«Das kann ich mir vorstellen. So ein junger Mann verträgt einiges. Konnte ich auch, damals … Aber Ihr habt mir ja sämtliche Freuden verboten. Und diesem Grünschnabel fällt
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