Tod im Beginenhaus
Vitus in die Küche gestürmt kam, hatte sie bereits die Zinnteller auf den Tisch gestellt und Apfelmost in einen großen Krug gefüllt. Der Medicus setzte sich schweigend auf seinen Platz. Als Albert schließlich gut gelaunt die Küche betrat, verteilte sie stumm dicke Brotscheiben auf die Teller.
«Ich würde mir gern noch einmal das Bein dieses Benedikt ansehen», sagte Burka beiläufig. «Würdet Ihr mich begleiten, Adelina?»
Sie hob den Kopf und blickte in sein ausdrucksloses Gesicht.
«Wenn Ihr es wünscht.»
Auch auf dem Weg zum Hospital brach der Medicus sein Schweigen nicht. Adelina war es recht. Unter dem Arm trug sie ein verschnürtes Paket mit der Bestellung des Malermeisters Grunert. In Gedanken legte sie sich zurecht, wie sie dem Mann die lange Wartezeit erklären wollte.
Die Pförtnerin empfing sie einmal mehr mit besorgter Miene.
«Ihr wollt zu Benedikt? Dann geht gleich ins Haus. Ich weiß nicht, wie lange Ihr bleiben dürft. Es gab schon wieder einen Todesfall heute früh, und Schwester Irmingard wird vermutlich das Hospital für Besucher schließen müssen. Ein paar Gesandte des Stadtrats sind im Augenblick bei ihr.»
«Schon wieder ein Toter?» Adelina konnte ihr Entsetzen nicht verbergen. «Und vom Stadtrat haben sie jemanden geschickt?» Die Pförtnerin nickte traurig.
«Sie haben Wind davon bekommen, dass bei uns eine sonderbare Krankheit ausgebrochen sein soll, und wollen sehen, ob für die Bürger eine Gefahr besteht.»
«Du liebe Zeit.» Adelina hastete zum Gebäudeeingang, der Magister immer einen Schritt hinter ihr. Die Tür des Krankensaals stand weit offen. Drinnen standen ein paar Pflegerinnen beisammen und tuschelten mit betretenen Gesichtern. Schwester Irmingard kam gerade hinter dem Wandschirm hervor. Als sie Adelina und den Medicus erblickte, winkte sie sie rasch zu sich. Ihr Gesicht war blass, und unter ihren Augen zeichneten sich dunkle Schatten ab.
«Es ist einfach unfassbar», begann sie ohne ein Wort der Begrüßung. «Reinhild ist heute Morgen von uns gegangen.»
«Reinhild?» Adelina schlug erschrocken die Hände vor den Mund. «Das darf nicht wahr sein! Sie war doch …? Hatte sie die gleiche Krankheit wie Adrian und Balthasar?» Ihre Kehle schnürte sich schmerzhaft zusammen.
«Leider ja.» Irmingard legte ihr mitfühlend eine Hand auf den Arm. «Ich weiß, dass Ihr Reinhild gemochthabt. Sie war so ein liebenswerter Mensch. Aber nun haben wir ein Problem. Diese Krankheit breitet sich tatsächlich aus. Ich werde das Hospital für Besucher schließen müssen. Der Stadtrat hat eine Abordnung von Bütteln geschickt, und die Männer bestehen darauf.»
«Wann wird Reinhild beerdigt?» Adelinas Stimme zitterte.
«Sobald alles vorbereitet ist. Wir haben sie in der Kapelle aufgebahrt, nachdem dieser Medicus von der Universität bei ihr war.»
«Magister Arnoldus?» Burka, der bisher alles schweigend aufgenommen hatte, schob sich nun neben Adelina. «Hat er sie untersucht?»
«O nein, sie war ja schon tot, als er kam.» Irmingard wandte sich ihm zu und musterte ihn mit befremdeter Miene. «Er musste doch eine Todesurkunde schreiben für Reinhilds Gemahl. Er ist ein sehr wohlhabender Mann aus einer vornehmen Familie.»
Neklas Burka machte ein enttäuschtes Gesicht.
«Nun ja, dann sollten wir vielleicht jetzt nach Benedikt sehen.»
«Da habt Ihr aber Pech», erwiderte Irmingard mit Bedauern in der Stimme. «Benedikt ist heute Morgen ausgegangen. Das macht er oft. Wahrscheinlich wandert er in der Stadt umher, oder er ist zum Markt gegangen.»
«Mit dem kranken Bein?», wunderte sich Burka, doch die Leiterin des Hospitals zuckte nur mit den Schultern.
«Er sagte, die Wunde sei schon viel besser und er wolle nicht tagelang untätig herumliegen. Wir können ihn ja schlecht einsperren.» Sie tätschelte Adelina nocheinmal mitfühlend den Arm und verabschiedete sich dann.
Burka schob Adelina auf den Gang hinaus, damit sie den Pflegerinnen nicht im Weg standen. Immer noch benommen von der bösen Überraschung, ließ sie sich schließlich von dem Medicus überreden, nach Hause zu gehen.
4
Reinhilds Beerdigung war eine Enttäuschung. Ihr Gemahl hatte sie auf den Friedhof von St. Marien beisetzen lassen, wo sich die Familiengruft befand, doch außer ihm, seinen vier kleinen Kindern und einer alten Dienstmagd war niemand zum Begräbnis erschienen, und es sah aus, als sei er selbst auch nur aus Pflichtgefühl gekommen.
Er war zwar ganz in Schwarz gekleidet, das seine
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