Tod im Beginenhaus
nicht … das tut mir –»
«Und nun liegt sie krank darnieder und verlangt, dass nur der Medicus sie behandelt.»
«Nur der Medicus?» Adelina hob die Augenbrauen. Irmingard nickte mit verdrießlicher Miene.
«Sie scheint zu glauben, eine ihrer Mitschwestern wolle sie nun ebenfalls vergiften. Das ist natürlich der reinste Unsinn, und Ihr habt sie mit Euren Hirngespinsten dazu gebracht. Nein, sagt jetzt nichts.» Irmingards Blick veranlasste Adelina, den Mund wieder zuzuklappen und die Worte hinunterzuschlucken, mit denen sie sich hatte verteidigen wollen. «Adelina, ich kann Euch gut leiden und freue mich, dass Ihr uns so zugetan seid.Aber ich dulde es nicht, dass Ihr solche Gerüchte in die Welt setzt. Damit schadet ihr nicht nur der Gesundheit unserer Grande Dame, sondern auch dem Ruf der Beginenhöfe. Ich muss Euch ernsthaft bitten, über Eure Verdächtigungen in Zukunft zu schweigen. Ganz abgesehen davon, dass sie uns schaden, sind sie nämlich auch völlig lachhaft. Wie kommt Ihr nur darauf, jemand habe diese armen Leute vergiftet? Ich verstehe es nicht. Ihr seid doch eine gescheite Frau. Krankheiten lauern immer und überall. Damit müssen wir uns abfinden.»
Adelina verzichtete auf jedes Widerwort, als sie den strengen Blick der Hospitalsleiterin sah. Noch nie hatte sie Irmingard derart aufgebracht gesehen, und ihr fiel mit aller Deutlichkeit auf, in welcher Funktion die Begine hergekommen war. Sie war die Stellvertreterin Brigittas. Das vergaß man leicht, weil sie sich selten damit hervortat und die meiste Zeit ganz gewöhnliche Arbeiten verrichtete.
«Also: Ich wünsche nicht, dass Ihr diesen schädlichen Unsinn noch weiter verbreitet. Wenn Brigitta sich, so Gott will, wieder von ihrer Verwirrung erholt hat, wird sie mir beipflichten.» Irmingards Gesichtsausdruck wurde eine Spur milder. «Der Tod dieser Menschen ist schlimm. Lasst sie in Frieden ruhen.» Sie schlug die Kapuze wieder hoch und wandte sich zur Tür. «Und damit wir uns richtig verstehen: Ich möchte sehr gerne, dass Eure Apotheke uns auch weiterhin mit Arzneien versorgt.» Sie nickte Adelina noch einmal zu, verließ das Haus und eilte hoch erhobenen Hauptes über den Marktplatz davon. Adelina lehnte sich gegen den Verkaufstisch und schloss die Augen. Die Drohung in Irmingards letzten Worten war mehr als eindeutig gewesen. Eine gähnende Leere machte sich in ihrem Magen breit. Sie brauchte den Beginenhof.Nicht jetzt, aber irgendwann später. Warum nur wollte niemand der Wahrheit ins Auge sehen? Wenn man es nüchtern betrachtete, waren die Tatsachen mehr als offensichtlich.
***
Bis zum Nachmittag kümmerte sie sich noch um die Apotheke und sah regelmäßig nach ihrem Vater, der nun doch über seine Kopfschmerzen klagte.
Dann beschloss sie, um ihrer Einkäufe willen doch früher zu schließen. Mit ihrem großen Korb und einem Wachstäfelchen mit einer ordentlich geschriebenen Einkaufsliste machte sie sich auf den Weg zum Hafen. Sie wollte versuchen, auf dem Fischmarkt an eingelegte Heringe oder Ähnliches zu kommen, wenn sie so spät am Tag überhaupt noch etwas bekam.
Es dämmerte bereits, als sie sich wieder auf den Rückweg machte. Zwischen St. Martin und der Hühnergasse traf sie auf den Messerschleifer, der gerade sein Tagewerk beendet hatte. Er versprach, so bald wie möglich bei ihr vorbeizuschauen, jedoch nicht mehr vor Weihnachten, da er in den wenigen Tagen bis zum Fest schon zu viele Kunden habe.
Zu Hause stellte sie dann verärgert fest, dass das Feuer im Küchenofen erloschen war. Vitus konnte sie natürlich nicht dafür verantwortlich machen. Er lag auf der Ofenbank und schlief. Sie hatte ihm immer ausdrücklich verboten, an die Heizluke des Ofen zu gehen, damit er sich nicht verletzte oder in seiner Ungeschicktheit das Haus in Brand setzte. Sie weckte ihn und schickte ihn nach draußen, um Holz zu holen. Es dauerte eine Weile, bis sie das Feuer wieder entfacht hatte. Dann setzte sie rasch die Suppe für das Abendessen auf. Währendsie einen Brotlaib in dicke Scheiben schnitt, klappte die Vordertür, die sie für den Medicus offen gelassen hatte. Seine Stimme drang aus der Apotheke, und eine zweite antwortete ihm. Eine weibliche Stimme. Adelina lauschte überrascht, konnte jedoch kein Wort verstehen. Das Gefühl, das sie beschlich, war keineswegs Eifersucht. Sie war einfach nur neugierig, wen Burka da mitgebracht hatte. Betont langsam wandte sie sich um, als er die Küche betrat.
Die Erleichterung, als sie sah, wen er
Weitere Kostenlose Bücher