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Tod im Beginenhaus

Tod im Beginenhaus

Titel: Tod im Beginenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
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Wollkleides hoch und sammelte die auf dem Boden verstreut liegenden Kleidungsstücke ein. Schlimmer als Vitus, schoss es ihr durch den Sinn. Nur der Gelehrtenmantel hing wie immer ordentlich am Haken. Der Medicus besaß zwei Mäntel. Dieser hier war ungefüttert und für die wärmere Jahreszeit bestimmt. Als sie ihn ausschüttelte, bemerkte sie eine abgewetzte und fadenscheinige Stelle am Ellbogen. Sie solle für Ordnung sorgen, hatte er gesagt. Also würde sie den Mantel mit hinunternehmen und flicken. Und waschen. Seine Kleider mussten gewaschen werden.
    Als sie nach einer Stunde das Zimmer verließ, fühlte sie sich besser. Der Anblick von Ordnung und Sauberkeit tat ihrer Seele gut. Den Rest des Tages verbrachte sie damit, Franziska zu zeigen, wie die Wäsche richtig gewaschen wurde und wie man Löcher in abgewetzten Ärmeln unsichtbar flickte.
    ***
    Weihnachten war für Adelina immer eine angenehm stille Zeit gewesen. Umso überraschter war sie, wie sehr sie es genoss, in diesem Jahr zwei Personen mehr im Haus zu haben. Franziska erledigte alle Arbeiten, die Adelina früher viel Zeit geraubt hatten. Aber was noch wichtiger war, sie kümmerte sich um Vitus, beschäftigte ihn, ging mit ihm in den Garten, wo die beiden im Schnee herumtollten. Der fröhliche Lärm, den sie dabeiveranstalteten, legte sich wie Balsam auf Adelinas Gemüt.
    Burka leistete die meiste Zeit ihrem Vater Gesellschaft, der sich in jeder verfügbaren Minute auf seine alchemistischen Experimente stürzte und felsenfest glaubte, noch vor dem Fest des heiligen Silvester auf das Geheimnis der Transmutation zu stoßen, welches sich ihm bisher so hartnäckig entzogen hatte.
    Adelina machte sich bereits Sorgen, dass er auch während der Kirchgänge davon anfangen könnte, und so fragte sie ihn zur Ablenkung so oft wie möglich über den neuen Lehrjungen aus.
    Am Nachmittag des sechsundzwanzigsten Dezember – Adelina stand gerade am Herd und bereitete einen Punsch – pochte es mit einem Mal heftig an der Haustür.
    Rasch band sie die Schürze los und strich sich auf dem Weg durch die Apotheke das blaue Festtagskleid glatt.
    «Schwester Irmingard!» Überrascht ließ sie die Hospitalsleiterin eintreten. «Was führt Euch zu uns?»
    Irmingard klappte ihre Kapuze zurück und ließ einen für eine Begine ungewöhnlich eleganten, weißen Leinenschleier sehen. Ihr Kleid unter dem Mantel war grau und schlicht, wie es sich gehörte. An ihrer Brust prangte jedoch heute ein Kruzifix aus Silber und an ihrem Gürtel ein Rosenkranz aus echten Perlen. Mit beidem zeigte sie deutlicher als sonst, dass sie von hohem Stand war. Wahrscheinlich war sie gerade in der Messe gewesen.
    «Adelina, ich … wir benötigen Eure Hilfe», begann sie und legte Adelina eine Hand auf den Arm. «Könnt Ihr den Medicus holen? Im Hospital ist diese Krankheit wieder ausgebrochen. Wir dachten, es wäre vorbei, aberseit gestern Abend sind immer mehr Menschen davon befallen worden!»
    Adelina erstarrte.
    «Seid Ihr sicher, dass es die gleiche Krankheit ist?»
    «Krämpfe, Lähmungen, Erbrechen. Der Medicus soll kommen und … vielleicht gibt es Kräuter, die helfen könnten.»
    Im Geiste ging Adelina bereits ihre Bestände durch. Sie bat Irmingard, in der Küche zu warten, und stieg, so schnell es ihr weites Kleid erlaubte, die steile Kellertreppe hinab. Sie klopfte an die schwere hölzerne Tür, hinter der sich das Laboratorium ihres Vaters verbarg, und trat ein. Der Raum war klein und stickig. Unzählige Öllämpchen standen auf einem Bord, das sich über alle vier Wände zog, und tauchten den Raum in flackerndes Licht. Zum Marktplatz hin waren knapp unterhalb der Decke zwei kleine Lüftungsschlitze angebracht, die jetzt mit alten Lumpen verstopft waren. Mitten im Raum stand ein großer Tisch mit zwei wackeligen Hockern. Die Tischplatte war beladen mit Pergamenten, Büchern, kleinen, löffelähnlichen Greifzangen und zwei Tellern mit Resten von Honigkuchen und dem Gänsebraten, den sie am Vortag serviert hatte. Burka und ihr Vater standen in der hinteren Ecke des Raumes und beugten sich über Alberts ganzen Stolz, seine alchemistischen Gerätschaften: Über einer kleinen Feuerstelle stand ein rußgeschwärzter Dreifuß, auf dem eines der teuren Glasgefäße platziert war. Auf kleinen Plattformen links und rechts und einem verzweigten Gestell saßen weitere Glas- und Kupfergefäße. Albert betätigte den kleinen Blasebalg, mit dem das Feuer angeheizt wurde, und beide Männer starrten

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