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Tod im Beginenhaus

Tod im Beginenhaus

Titel: Tod im Beginenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
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als dass Ihr Euch geirrt hättet. Ihr habt mich erschreckt!»
    «Ich habe nachgedacht! Mir war nicht bewusst, dass ich derart schreckenerregend vor mich hin gestarrt habe.» Verwirrt blieb sie stehen und suchte nach Argumenten, um sich zu rechtfertigen. Als ihr klar wurde, wie albern sie sich benahm, ging sie weiter. Er hatte sich entschuldigt, war das nicht genug? Warum hatte er sich entschuldigt? Und weshalb hatte ihr Anblick ihn erschreckt? Als sie ihn von der Seite ansah und seine verkniffene Miene bemerkte, wurde ihr klar, dass sie besser aufhörte, sich zu fragen, was für Beweggründe er für sein Verhalten hatte. Das ruhige, sichere Leben hinter den Mauern, die sie mühsam um sich aufgeschichtet hatte, würde sonst noch mehr in Gefahr geraten.
    Wieder sah sie ihn von der Seite an und erhaschte seinen weichen Blick.
    Ihre Magengrube senkte sich. Zu spät, flüsterte eine Stimme in ihrem Kopf. Die Mauer begann bereits zu bröckeln.
    ***
    «Wollt Ihr mich noch zum Rathaus begleiten?» Burka schien Adelinas Unwillen bemerkt zu haben und wechselte das Thema. «Heute findet eine Sitzung des Rates statt. Das wäre für mich eine gute Gelegenheit, dort einen Patienten aufzusuchen.»
    «Und wozu braucht Ihr mich dabei?» Adelina hatte sich von ihren aufgewühlten Gefühlen noch nicht wieder erholt; entsprechend unterkühlt klang ihre Stimme. Mit der ihm eigenen Geduld und mit einem Lächeln überging der Medicus ihre Unfreundlichkeit.
    «Ich schätze Eure Gesellschaft. Der Weg durch die Stadt kann allein furchtbar lang werden.» Sein Gesicht verriet nichts über seine wirklichen Beweggründe, deshalb ließ sie es dabei bewenden.
    «Wen wollt Ihr denn heute noch aufsuchen?»
    «Ich weiß nicht, ob Ihr ihn kennt. Rolof von Assenheym.»
    Sie nickte. Natürlich kannte sie ihn. Zumindest dem Namen nach.
    «Er leidet an Gicht, und ich denke, es kann nicht schaden, wenn ich ihn ab und an daran erinnere, sich beim Essen zu mäßigen. Gerade jetzt, zur Weihnachtszeit dürften ein paar zusätzliche mahnende Worte angebracht sein.»
    «Er wird Euch hinauswerfen lassen, wenn Ihr ihn belästigt. Schließlich hat er Euch nicht rufen lassen.»
    «O nein, das wird er nicht. Er hat mich sogar dafür bezahlt, dass ich ihn unaufgefordert besuche.»
    «Er bezahlt Euch für Eure Aufdringlichkeit?» Verblüfft schüttelte Adelina den Kopf. Burka nickte vergnügt, und als er ihren ungläubigen Blick sah, begann er zu lachen.
    «Adelina, Ihr würdet nicht glauben, wofür die Menschen alles zahlen, wenn sie sich Heilung davon versprechen. In diesem Fall wird es sogar funktionieren, denn Gicht ist nun einmal eine Krankheit, die durch einen unvernünftigen Lebenswandel ausgelöst wird. Bei unserem letzten Zusammentreffen meinte er, meine unangekündigten Besuche seien ihm allemal lieber als die abscheulichen Arzneien, die die anderen Ärzte ihm davor verordnet haben.»
    So plauderte Burka noch eine ganze Weile auf Adelina ein und berichtete ihr von Belanglosigkeiten, die er bei seinen Krankenbesuchen erfahren hatte. Nach und nach verflüchtigte sich auf diese Weise die Spannung, die sich seit dem Besuch im Hospital zwischen ihnen aufgebaut hatte.

11
    Als Adelina und der Medicus in der Judengasse anlangten und sich dem Rathaus näherten, waren durch die mit geschabtem Kalbsleder abgedichteten Fenster des oberen Geschosses laute Stimmen zu vernehmen. Einige Bürger waren bereits unter den Fenstern stehen geblieben und lauschten dem ungewöhnlich lauten Disput der Ratsherren. Burka trat hinzu, und auch Adelina bemühte sich, dem erregten Stimmengewirr den Grund für den Streit im Stadtrat zu entnehmen. Schließlich nahm Burka sie beim Ellbogen und schob sie zur Tür.
    «Lasst uns hineingehen. Wie es aussieht, müssen wir noch ein Weilchen auf das Ende der Sitzung warten.» Er öffnete die Eingangstür und ließ Adelina vorangehen. Kaum waren sie die breite Treppe zum langen Saal, dem Sitzungsraum, hinaufgestiegen, als die Tür aufflog und mehrere Männer herausstürmten. Zwei von ihnen fluchten gotteslästerlich, während die anderen nur wutentbrannt ihre Mäntel überwarfen und das Rathaus wütenden Schrittes verließen.
    Aus dem Inneren des Saales schallten lautes Gebrüll und Flüche. Da die Tür nun offen stand, konnten Adelina und Burka die prachtvollen Holzgewölbe und die mit feinen Ornamenten geschmückten Fensterrahmen sehen. Am Südende des Raumes standen mehrere steinerne Standbilder. Der lange Saal war das Schmuckstück des Rathauses,

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