Tod im Beginenhaus
ihr Vater am Kopf. «Daran habe ich gar nicht gedacht. Vielleicht kannst duwenigstens in der ersten Zeit … Das müssen wir noch klären. Ich brauche doch deine Hilfe!»
Kopfschüttelnd räumte Adelina die Teller zusammen.
«Daran hättest du aber wirklich früher denken müssen, Vater. Wie heißt der Junge denn?»
«Johannes de Burge. Er ist elf Jahre alt.»
«Das sagtest du bereits.» Prüfend blickte sie ihrem Vater ins Gesicht. «Geht es dir auch gut? Deine Augen sind so rot.»
«Unsinn, mir geht es hervorragend. Ich werde jetzt hinunter in mein Laboratorium gehen.» Er stand auf und verließ die Küche. Wenige Augenblicke später hörte sie die Tür zu seiner Kammer klappen.
«Nanu, ich dachte, er wollte nach unten?» Sie stand ebenfalls auf, um ihm zu folgen, doch Burka hielt sie am Arm fest.
«Mit Eurem Vater stimmt etwas nicht.»
Überrascht blickte sie auf sein blasses Gesicht nieder, dann gab sie Franziska ein Zeichen, Vitus hinauszubringen.
«Was meint Ihr damit?», fragte sie, als die beiden fort waren.
«Er ist schon lange vergesslich, nicht wahr? Und in letzter Zeit hat er sich mehrmals verlaufen, obwohl er in dieser Stadt aufgewachsen ist. Er spricht zuweilen wirr oder wiederholt sich, so wie eben.»
Beunruhigt runzelte sie die Stirn und wartete darauf, dass er fortfuhr. Er schwieg jedoch eine ganze Weile, bevor er weiterredete: «Ich habe das schon hin und wieder erlebt. Es ist ein Leiden des Alters, eine zunehmende Verwirrtheit des Geistes, die mit den Jahren fortschreiten kann. Manchmal so weit, dass der Betreffende dieeigene Familie nicht mehr erkennt oder seinen Namen vergisst.»
«Wie Balthasar!», entfuhr es ihr. Burka blinzelte überrascht.
«Der alte Mann, der als Erster an der Vergiftung gestorben ist», erklärte sie. «Er hat oft seinen Namen vergessen oder nicht gewusst, wo er sich gerade befand. Glaubt Ihr, meinem Vater wird es genauso ergehen?» Als er nickte, barg sie erschüttert das Gesicht in den Händen. «Wie kann das sein? Er war doch immer ganz gesund!»
«Niemand weiß, woher diese Krankheit kommt. Ich weiß nicht einmal, ob es tatsächlich eine Krankheit ist. Möglicherweise ist es auch eine Auswirkung der giftigen Dämpfe im Laboratorium.»
Erschöpft rieb sie sich über die Augen.
«Was kann man dagegen tun?»
«Nichts, soweit ich weiß.» Seine Stimme klang mitfühlend, doch er machte keine Anstalten, ihr etwa tröstend über den Arm zu streichen. Um seinen Mund hatte sich ein eiserner Zug festgesetzt, der ihn älter erscheinen ließ. «Nur beten und Euch um ihn kümmern, das könnt Ihr tun.» Wieder schwieg er einen Moment. «Natürlich wird er die Apotheke irgendwann nicht mehr führen können. Doch bis dahin solltet Ihr längst versorgt sein.»
«Verheiratet, meint Ihr.» Sie verzog verärgert den Mund. «Eine Frau kann auch ohne Ehemann ihr Auskommen haben.»
«Mit einem hilflosen Vater und einem zurückgebliebenen Bruder?»
Sie zuckte zusammen. Abrupt stand sie vom Tisch auf und ging hinüber zum Spülstein. Fahrig begann sie, die Essensreste von den Tellern zu kratzen.
«Habt Ihr das Haus besichtigt?»
«Das Haus?» Burka blickte überrascht von seinem Becher auf, dann nickte er, als erinnere er sich jetzt erst wieder. «Natürlich, das Haus in der Brückenstraße. Ich werde es kaufen.»
«Ihr kauft es?» Adelina ließ den Teller sinken und starrte ihn an. Er konnte sich ein Haus in der Brückenstraße leisten?
Um seine Mundwinkel zuckte es. Sie wandte sich ab und verfluchte sich innerlich.
«Dachtet Ihr, ich sei ein armer Mann? Das bin ich nicht, Adelina.»
Sie hörte ihn aufstehen und zur Tür gehen. «Ich war übrigens auch im Hospital. Es sind noch mehr Menschen erkrankt. Vor dem Eingang haben sie Stadtsoldaten aufgestellt, damit niemand hinein- oder herauskann. Morgen werden sie mit der Räumung beginnen.»
«Schon morgen?» Entsetzt fuhr sie zu ihm herum.
Er hob die Schultern.
«Wir können nichts mehr dagegen ausrichten. Der Rat hat es so befohlen.» Er schob die Tür auf und war schon halb auf dem Gang, als er sich noch einmal umdrehte.
«Die Grande Dame ist sehr krank. Sie hat bis zuletzt vor dem Rat um das Hospital gekämpft. Wahrscheinlich hat sie sich damit übernommen. Irmingard erzählte mir, Brigitta sei am Nachmittag zusammengebrochen. Als ich sie daraufhin aufsuchte, lag sie in ihrem Bett und konnte sich kaum rühren. Ich fürchte, es steht nicht gut um sie. Die Aufregung hat sie ausgezehrt. Irmingard hat ihre
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