Tod im Frühling
er in dem sch m utzigen, überfüllten Gefängnis gesessen hatte, das endlose Feilschen m i t Ladenbesitzern, das Verschwinden seines nichtsnutzigen Sohnes .
Als sie ihn schließlich gehen ließen, hielt er inne und spuck t e de m onstrativ seitlich ins Gras. Den Kopf gegen den Regen gesenkt, folgte ihm der H und m it stei f em Gang. Sie blickten ihm nach, bis die Wolke ihn verschluckte .
»Was ist m it den andern?« fragte der Staatsanwalt, während er sich eine Zigarette anzündete. » Da oben. Könn t e das Mädchen nicht da oben auf dem Berg versteckt sein ? «
Er reckte den Hals, um etwas zu erkennen, aber es war nichts zu sehen außer dem wirbelnden grauen Nebel, der i nzwischen fast den Jeep erreicht hatte .
»Ich bin überzeugt « , sagte der Capitano langsa m , »daß das der Fall ist . «
»Wollen Sie einen Haftbefeh l ? «
» N e in, ich will keinen Haftbefehl. Ich will wissen, wer sie ha t , und ich will genau wissen, wo. Sonst könnten wir ein Jahr lang da oben heru m suchen, ohne sie zu finden . «
» Und es lo h nt sich nicht, es m i t einem Überraschungsangriff zu versuchen ? «
» Man kann einen Berg nicht überraschen. Dort oben gibt ' s keine Straßen und keinen Quadrat m eter ebenen Boden, wo ein Hubschrauber landen könnte. Und wenn wir zu Fuß hinaufgehen, würden sie uns schon Stunden vorher sehen. Das Mädchen würden sie schon längst weggeschafft haben, bevor wir überhaupt in ihre Nähe kä m en, und nie m and würde uns irgendwas sagen, außer vielleicht in ihrem unverständlichen Dialekt. Meistens reden sie überhaupt nicht, nicht ei n m al wenn man ihnen droht. Die sind nicht wie Piladu, der im Tal lebt . «
Der Staatsanwalt, der bis dahin Piladu nicht für sonderl i ch m i tteilungsfreudig gehalten hatte, verfiel in nachdenkliches Schweigen und rauchte. Der Brigadiere ließ den Motor an, und sie begannen ihre schaukelnde, holprige Fahrt bergab. Irgendwo in der Ferne grom m elte Donner. Als der Jeep um d ie letzte Biegung am Fuß des Hanges fuhr, bre m ste der Brigadiere und deutete auf das u m liege n de Gelände .
» Sehen Sie m al diese Felsen da. «
Überall verstreut lagen große Brocken weißen Flintsteins, der vorherrschenden Gesteinsart in dieser Gegend. Während sie hinsahen, bewegte sich einer der Felsen in der Ferne ein Stück zur Seite, hielt inne, bewegte sich wieder. » Schafe « , sagte der Brigadiere. » Und es könnte genausogut der Schäfer sein, der da ganz ruhig liegt, bedeckt mit ein e m alten Schaffell. Ein al t er Trick, aber er funktioniert im m er noc h . Sie würden den Mann erst be m erken, wenn Sie direkt über ihn stolperten. Man kann einen Berg nicht überraschen. «
Ihm gefiel dieser Ausspruch des Capi t ano, und er speicherte ihn offenbar für seine Rekruten. Er löste die Bre m se, und der Jeep rollte weiter .
Wie sich herausstellte, hätten sie sich die zehn Kilo m eter Fahrt zu Scanos Haus sparen können. Der Sohn war nirgends zu sehen. Der Brigadiere beschrieb ihn als einen kleinwüchsigen, hinterlistigen Gesellen, der, seit er alt genug war, um allein in d ie Stadt zu gehen und in Schwierigkeiten zu geraten, m ehr Zeit im Gefängnis a l s außerhalb verbracht hatte. Gewöhnl i ch trieb er sich den ganzen Tag in der Nähe des Hauses heru m , und weil er sich u m s Melken drücken wollte, verschwand er immer, kurz bevor sein Vater m it den Schafen von der Weide ka m . N achdem sie g ut zehn Minuten lang geklopft hatten, gaben sie es auf, aber es war klar, daß das Haus leer war. Der Regen trom m elte gegen die abgeblätterte Tür und die gardinenlosen Fenster und tropfte von der noch blu t igen Lam m h aut, die, alle viere von sich gespreizt, an der Wäsche l eine schaukelte .
» Fahren wir nach Florenz zurück. «
Der Capitano schwang sich in den Jeep. Er war durchnäßt, er fror, er war m ißgelaunt, und er verlor all m ählich schon d i e Geduld m it diesem Fall. Was war das denn für eine Entführung, ohne Lösegeldforderung und ohne Eltern? Und zu allem Überfluß m ußte m an ihm ausgerechnet bei diesem m erkwürdigen Fall auch noch einen Staatsanwalt zuteilen, der sein Vorgehen m i t distanzierter Belustigung verfolgte. Er kam sich wie im Zi r kus vor. Die ganze Sache war regelwidrig .
Nachdem er den Staatsanwalt abgese t zt hatte, ging der Capitano vor dem Mittagessen noch einmal in sein Büro. Er erwartete nicht, daß in seiner Abwesenheit irgendwas Wesentliches eingegangen war, doch zu m indest v o n der Fremdenpolizei in der
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