Tod im Frühling
alle guten Kleidungsstücke, die er in die F i nger kriegt – nicht für sich selbst, es sind m eistens Sachen, die ihm nicht passen – er verkauft sie an die Trödler auf dem San Lorenzo Markt. «
» Soso . «
Sie gingen wieder hinein. »Wie heißt er ? «
»Ich m üßte seinen richtigen Namen erst raussuchen. A l le nennen ihn ›Baffetti‹, wegen seinem Schnurrbar t , m it dem er genauso krumm aussieht, wie er ist. Ich werd m al nachsehen. «
» Aber ich b i n eigentlich nicht hier, um – «
» Das m uß ein für alle m a l aufhören. Und um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, kom m t er erst, wie wir schon gerade am Einpacken sind, und außerdem haben wir heute Frauen- und nicht Männerausgabe. Er hatte doch tatsächlich die Frechheit zu sagen, daß er Sachen für seine Frau braucht, die ins Krankenhaus m uß . «
Der Rau m , der etwas we i ter hinten im Flur lag, war stickig und m uffig vom Geruch alter, ungewaschener Sachen und Mottenkuge l n. Aufgere i ht auf einem alten H o lzregal standen einige Paare zerschlissener Schuhe. Eine zweite Frau faltete getragene Pullover und verstaute sie in einem verkratzten Kleiderschrank. Überall auf dem staubigen Boden standen m it Kleidern vollgestopfte Kartons .
» H i er … «
Die erste Frau zog ein Kärtchen aus einem Kasten auf dem Tisch. » Garau heißt er, Pasqualino Garau . «
»Er hat gesessen ? «
» Ja. Es ist sein gutes Recht hierherzukom m en, a b er einfach mit irgendwas, was ihm ge f ällt, abhauen und es verkaufen das geht entschieden zu weit. Das ist nicht fair gegenüber den andern – und Kleider für seine Frau zu verlangen, ist ja wohl m ehr a l s unverschä m t ! «
» S ie meine n , seine Frau sollte am Frauentag selbst komme n ?
Aber wenn s i e wirklich krank ist… «
»Er hat gar keine Frau! «
» Ach so . «
» Das ist so ungerecht gegenüber den andern, die wirklich Hilfe brauchen und anständig gekleidet sein m üssen, wenn sie eine Arbeit bekom m en wollen . «
Der Wacht m eister blickte sich m it seinen großen Augen in dem depri m ieren d en Raum u m , der durch eine staubige Glühb i rne erleuchtet war, weil das kleine vergitterte Fenster kaum L i cht hereinließ, und er fragte sich, ob die, die hierherka m en, überhaupt noch eine Zukunft hatten. Der Ort strahlte ei n e derart große Hoffnungslosigkeit aus .
Die Frau steckte das Kärtchen in den Kasten zurück .
» Den m üßte sich einer von Ihnen wirklich m al vorknöpfen. W i r werden nicht m it i h m fertig – und er ist nicht der einzige . «
»Ich fürchte, ich bin nicht… Ich bin hier wegen einem Fall, der vorm Berufungsgericht angehört wird… «
» Dieser arme kleine Mann… wie heißt er doch gleich? Der angeblich diesen Engländer erschossen haben soll? Der sieht doch aus, als ob er keiner Fliege was zuleide tun könnte. Ich hab gesehen, wie sie ihn reingebracht haben. Gottseidank ist da e i n guter Wacht m eister, de r … Oh… «
Die gestreßte Frau blickte von ihrer Arbeit auf. »Dann sind S i e bestim m t … «
Aber der Wacht m e ister war schon m it ein e m eiligen ›Auf Wiedersehen‹ verschwunden .
Er hörte oben die Tür aufgehen, dann das Geräusch von Stim m en, v e r m ischt m it dem Scharren von Stüh l en. Dann e i ne Pause. Der Wacht m eister wußte, daß der Wachposten den Gefangenen wieder Handschellen und Ketten anlegen und ihnen Zigaretten anzünden würde, die sie m i t beiden Händen rauchten. Cipolla rauchte nicht. Der Wacht m eister hörte schwere Schritte auf der Treppe. Cipolla war wieder an die beiden größeren Männer gefesselt. Sein Blick suchte sofort den des Wacht m eisters, und er sagte, wie im m er: » Danke, H err Wacht m e ister . «
Danke, daß Sie da waren, denn in dieser Phase hatte der Wacht m e ister keine Möglichkeit, i h m zu helfen. Es hatte offenbar keinen Freispruch gegeben, da sie ihn wieder ins Gefängnis zurückbrach t en. Der Anwalt kam zusam m en mit zwei anderen herunter. Ihre Seidenroben raschelten, und sie hatten die Nase leicht gegen die staubige Luft gehoben. Der Wacht m eister pflanzte sich im Ausgang auf und fragte ohne irgendwe l che einleitenden Worte: » Ci p olla ? «
» S trafe auf fünfzehn Jahre reduziert. ›Vorsätzliche Körperverletzung mit T o desfolge‹ statt ›vorsätzlicher Mord‹. «
» Danke . «
Er ließ sie vorbei. Fünfzehn Jahre. Er war sicher, daß Cipolla sie nicht überleben würde. Er würde das Gefängnis nicht m ehr lebend verlassen. Wenn er das Geld gehabt
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