Tod im Herbst
aufpassen sollte?«
»Guarnaccia, vom Revier Pitti.«
»Guarnaccia? Guarnaccia? Der Name kommt mir bekannt vor, hat es schon mal Ärger mit ihm gegeben?«
»Ganz und gar nicht. Er ist uns oft eine außerordentlich groß e Hilf e gewesen.«
»Ach ja ? Na, diesmal ist er uns eine außerordentlich schlechte Hilfe gewesen. Sie wissen ja, der Vater des Jun ge n is t Richte r un d wir d Schwierigkeite n machen , wen n er hier aufkreuzt. Warum hat man ihn denn nicht anständig bewacht?«
»Er stand ja nicht unter Arrest, und die Männer, die ich zu r Verfügun g habe , sin d allesam t mi t eine m andere n Fall beschäftigt...«
»Andere Fälle interessieren mich nicht! Mich interessiert dieser Fall! Bevor dieser Vater morgen hier eintrifft, möchte ich einen vollständigen Bericht über die Angelegenheit haben. Wo ist der Junge jetzt?«
»Im Krankenhaus, hat ein Beruhigungsmittel bekommen.«
»Schicken Sie sofort einen Mann dorthin, er soll Wache stehen. Wenn der Junge abhaut, bevor sein Vater hier ankommt...«
»Da s hab e ic h scho n veranlaßt . Wen n Si e allerding s den Haftbefehl unterzeichnen, dann können wir ihn wegen Erpressung festnehmen.«
»Nichts da! Um diese Sache kümmere ich mich – Sie sollten lieber handfeste Beweise gegen diesen Querci zu sammentragen . Wen n Si e Ihre n Jo b verstünden , hätte n Sie ihn schon längst zum Reden gebracht!«
Besonders , dacht e de r Hauptman n grimmig , weil Querci keinen Vater hat, der Richter ist und wegen ein paar blauer Flecken Dienstaufsichtsbeschwerde einlegen könnte. Er hätte sich, was das Beweismaterial gegen Querc i anging , mi t eine m Hinwei s au f Hild e Vogel s Testa ment verteidigen können, verkniff es sich aber. Er wollte au f Guarnacci a warten . Gan z egal , wi e lang e e s dauerte , er würde warten, Staatsanwalt hin oder her; denn wäre er so klu g gewesen , de m Wachtmeiste r vo n Anfan g a n Gehö r zu schenken...
Auf dem Rückweg vom Krankenhaus hatte der Wachtmeister kleinlaut vor sich hin gemurmelt: »Es war meine Schuld. Ich hätte es Ihnen sagen sollen, bevor Sie ihn verhaftet haben. Alles wäre viel leichter gewesen. Wenn ich gewußt hätte, daß er Geld brauchte .. . E r schie n mir aber ganz zufrieden zu sein.«
»War er auch. Es war seine Frau, die ihn nach der Geschichte in Mailand aus dem Hoteljob herausholen wollte. Sie wollte, daß er den Laden ihres Vaters kauft.«
»Ach so, das wußte ich nicht. Es war nur so, wenn er nichts aus dem Zimmer mitgenommen hat, dann war doch offensichtlich, daß... Tja, ich hätte es sagen sollen.«
»Und ich hätte von allein darauf kommen müssen.«
Das zuzugeben hatte ihm nichts ausgemacht, aber er konnte kaum zugeben, daß er in jener Nacht, bevor der Staatsanwal t erschiene n war , Guarnacci a ger n hatt e gehen lassen . De r Wachtmeister , de r a n de r Piazz a Pitt i ausgestie gen war, hatte noch gefragt: »Sie haben Kinder, nicht wahr?«
»Eins. Ein kleines Mädchen.«
»Sobald ich fertig bin, melde ich mich bei Ihnen. Ich nehm e Lorenzin i mit.«
Endlich kam der Staatsanwalt jetzt zum Ende seiner Predigt, denn der Hauptmann, der mit seinen Gedanken ganz woanders war, antwortete nur noch mit »Ja« und »Nein« und lieferte ihm keine Munition für weitere Angriffe. Schließlich legte er auf, und seine Laune hatte sich ehe r gebesser t al s verschlechtert . E r hatt e sich , wi e immer, wenn er es mit Staatsanwälten zu tun hatte, nach Kräften bemüht, einen Konflikt zu vermeiden, doch nun, da es passier t war , fühlt e e r sic h frei , mi t de m Fal l au f sein e Weise weiterzumachen und Guarnaccia eben auf seine Weise weitermache n z u lassen . E r holt e sic h di e Akt e Voge l heran und schlug sie auf. Mit etwas Glück würde er etwa drei Stunden ungestört sein, und abgesehen von dem, was er in Kürz e vo n Querc i erfahre n würde , hatt e e r all e Informationen , di e e r benötigte . E r schlu g de n graue n Pa ß au f un d sah wieder diesen kühlen, ironischen Blick. Erpressung – nein, da s konnt e e s nich t gewese n sein . Wa s e s auc h war , mi t dem Eintreffen ihres Sohnes hatte sich alles verändert, eine Wiederholung ihrer eigenen Ankunft vor vielen Jahren. Diesmal jedoch waren die Rollen vertauscht. Es war der Sohn, der nichts wissen wollte. Eines zumindest stand fest: Wa s Hild e Voge l i n al l de n Jahre n auc h geta n habe n mochte, wen n si e weitergemach t hätte , s o har t un d gefühllo s gewe sen wäre wie ihr Vater, dann wäre sie heute wohl
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