Tod im Jungfernturm
erhob sich widerwillig, um Maria an Monas Krankenbett Platz zu machen. Sie lag klein und in Embryonalstellung zusammengerollt da. Ihr Arm, der am Tropf hing, war über die gelbe Decke ausgestreckt. Es sah aus, als würde sie schlafen. Maria setzte sich auf den Stuhl neben dem Bett. Olov trat ans Fenster. Sie konnte sehen, wie sich sein Gesicht in der dunklen Scheibe spiegelte. Die Augen waren feucht. Er schloß die Augen und drückte die Handflächen an die Scheibe. Er war immer noch in Lumpen gekleidet. Das Haar war zerzaust und das Gesicht streifig von Schmutz und Tränen.
»Kann das nicht warten?« fragte er wütend, als Maria vorsichtig Monas Arm berührte und ihren Namen sagte.
»Ich verstehe, daß Sie das denken, aber wir haben nur wenig Zeit. Es geht um Mord, und es können weitere Morde passieren. Bitte warten Sie draußen. Ich komme in einer halben Stunde zu Ihnen ins Wartezimmer.«
»Ich gehe ins Schwesternzimmer«, zischte er, ging aus dem Zimmer und schlug die Tür zu.
Maria griff nach Monas Hand. Sie war heiß und feucht.
»Mona, hören Sie mich? Mona!«
»Ja.« Sie bewegte sich, öffnete aber nicht die Augen.
»Ich bin Maria Wern von der Polizei.« Die Augenlider der Frau flatterten leicht. »Sie sind von einer Schlange gebissen worden.«
»Das war Wilhelm …«
»Wilhelm?«
»Ich habe Steine vom Haufen genommen. Da hat er mich in die Wade gebissen. Nicht ich habe das Auto gefahren. Er hat das Steuer gehalten und über die Kaikante gelenkt. Meine Kinder. Eine Mutter tut alles für ihren Sohn. Alles! Er darf nicht ertrinken. Ich habe ihn verloren. Ich habe ihm das AK4 gegeben. Was hätte ich sonst mit der Waffe machen sollen? Und ich bin übers Moor gelaufen …«
»Ich verstehe Sie nicht.«
»Sie hat Fieberträume«, sagte die Krankenschwester, die nach dem Tropf sah. »Einundvierzig Grad!«
»Mona, wissen Sie, was mit Birgitta passiert ist?« fuhr Maria fort.
»Er war gezwungen, sie zu töten.«
»Wer?« fragte Maria und hielt den Atem an.
»Die Schlange«, flüsterte Mona.
»Sie muß sich jetzt ausruhen. Morgen ist sie sicher ansprechbar. Olov wartet im Schwesternzimmer auf Sie. Er ist wütend, weil Sie seine Mutter nicht in Ruhe lassen können, wo doch ihr Mann gerade gestorben ist und so. Man kann nicht immer so hart vorgehen.«
»Das tue ich nicht. Im Hinblick auf den Ernst der Lage werde ich eine Überwachung von Mona Jacobsson rund um die Uhr beantragen, und zwar zu ihrer eigenen Sicherheit. Sie war möglicherweise Zeugin eines Mordes. Wir wissen nicht, was der Mörder noch vorhat. Es ist wichtig, daß ich ihr die notwendigsten Fragen stellen kann, sobald sie wieder bei sich ist.«
»Was meinen Sie denn dazu, Olov? Sie müssen doch darüber nachgedacht haben, wer das getan haben könnte. Ihr Vater und Ihre ehemalige Verlobte sind tot. Sagen Sie mir, was Sie denken«, sagte Maria, nachdem Olov erzählt hatte, was geschehen war.
»Ich habe es getan, verdammt. Ich habe mehr Alkohol in sie hineingeschüttet, als sie vertrug. Ich war so wütend, weil sie ihr Leben an diesen vertrockneten Denkmalsfuzzi verschwenden wollte. Ich wollte sie kotzen sehen. Es ist alles mein verdammter Fehler. Ich wollte nicht, daß sie bewußtlos wird und dann am Erbrochenen erstickt.«
»Wir wissen noch nicht, woran sie gestorben ist«, sagte Maria und versuchte seinen Blick einzufangen.
»Was sollte es denn sonst sein? Sie war doch jung und gesund.«
»Wie lange waren Sie weg, um Arne zu holen?«
»Ich weiß es nicht. Eine halbe Stunde, vielleicht eine Dreiviertelstunde. Nein, es muß länger gedauert haben. Er ging noch aufs Klo und war mindestens zwanzig Minuten lang weg.«
»Hatte einer von Ihnen so lange den Turm im Blick?«
»Nein, wir saßen alle im Botanischen Garten.«
»Haben Sie schon mal darüber nachgedacht, was Ihrem Vater zugestoßen sein könnte?«
»Natürlich. Vielleicht hat es doch etwas mit der Pacht zu tun. Er kann sich mit einem der Alten da unten gestritten haben. Dann kann es ein Handgemenge gegeben haben. Ein Schlag. Jemand kriegt es mit der Angst zu tun und versteckt ihn oben in einem Steinhaufen in Vallekvior.«
»Was hat Mona am Jungfernturm gemacht?«
»Ich weiß es nicht. Sie muß uns anderen vom Stora Torget her gefolgt sein, denn sonst hätte sie nicht gewußt, wo wir sind. Vielleicht hat sie sich Sorgen gemacht, wie Arne und ich auf demselben Fest miteinander klarkommen würden. Was weiß ich?«
»Hat jemand sie vor Birgittas Wohnung gesehen?«
»Glaube ich
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