Tod im Jungfernturm
Junggesellenabschied machen sollte. Nein, es ist nicht seine Schuld. Niemand ist schuld. Es ist einfach nur sinnlos. Wir hatten uns gestritten. Sie hätte niemals soviel getrunken, wenn alles gut gewesen wäre. Es ist meine Schuld. Meine verdammte Schuld ist es.
Sie konnte sich nicht entscheiden, mit wem sie zusammenleben wollte. Ich habe versucht, sie nicht unter Druck zu setzen, aber es war schwer, das nicht zu tun. Ich wollte sie so gern bei mir haben.«
»Manchmal geschehen auch schreckliche Dinge, ohne daß jemand daran schuld ist.«
»Das spielt alles keine Rolle mehr. Nichts von dem, wovon sie träumte. Vielleicht ist es am gnädigsten zu sterben, wenn man noch Träume hat.«
»Welche Träume hatte sie denn?« fragte Arvidsson.
»Berühmt zu werden, in den feinen Galerien in Stockholm ausstellen zu dürfen. Jetzt ist alle Arbeit vergebens. Alles, wonach sie strebte. Sie hatte gerade die perfekte Form gefunden. Sehen Sie den Stein da in der Vitrine? Den runden, der so aussieht wie eine frische Feige?«
Arvidsson sah durch die Glasscheibe. »Das ist ein Fossil.«
»Wenn sie sich doch nur damit begnügt hätte, sich als Künstlerin zu entwickeln, und akzeptiert hätte, daß das Opfer und Zeit erfordert. Wenn sie es mir erzählt hätte. Ich hätte ihr doch auf jede erdenkliche Weise geholfen. Schauen Sie mal in die Kiste da hinten. Was sehen Sie?« fragte Arne.
»Silberschmuck, Münzen, Löffel. Woher stammt das denn? Das kann sie ja nicht selbst hergestellt haben, es sieht alt aus.«
Arvidsson wurde knallrot, als ihm langsam die Wahrheit aufging. Arne lachte ein hohles Lachen.
»Das war ihr und Wilhelm Jacobssons kleines Geheimnis. Zuerst war ich rasend vor Wut über das, was sie getan hatte, aber dann fühlte ich die Erleichterung. Ich wußte immer, daß zwischen ihnen irgendwas lief, aber nicht was. Verstehen Sie mich? Es hätte schlimmer sein können.«
»Vielleicht, vielleicht auch nicht. Wissen noch mehr Leute davon?«
»Christoffer ist der älteste Sohn. Er sollte den Hof übernehmen und den Schatz für die nächste Generation verwalten. Wilhelm kann ihm das als Paketlösung angeboten haben, wer weiß.«
»Ich dachte, Sie wären der älteste.«
»Wilhelm ist nicht mein Vater. Ich glaube, er hat auch niemals daran gedacht, mich zu adoptieren. Vater unbekannt, steht in der Geburtsurkunde. Um so besser. Ich bin gar nicht so sicher, ob ich wissen will, wer mein Vater ist. Kann ich jetzt meine Ruhe haben?«
»Ich fürchte, das, was Sie mir gerade erzählt haben, erfordert einige Ermittlungsarbeit vor Ort. Jetzt bringe ich Sie aufs Revier. Wir haben viel zu bereden.«
42
Maria Wern erwachte von Vegas Stimme, die erst als entferntes Echo im Traum, dann immer aufdringlicher unten vom Hof ertönte. Ihr Bedürfnis, über das Geschehene zu sprechen, war grenzenlos gewesen. Stundenlang hatte Maria ihr zugehört und die Informationen weitergegeben, die sie weitergeben durfte. Vega war untröstlich gewesen.
Maria rollte sich zu einem Ball zusammen und zog die Decke über den Kopf. Ihre Kraft war zu Ende. Sie konnte nicht mehr. Jetzt stand Vega vor ihrer Tür.
»Telefon für Sie. Ihr Mann will mit Ihnen sprechen!«
Maria nahm ihr Handy vom Nachttisch. Sie hatte es vor dem Zubettgehen ausgeschaltet, um wenigstens ein paar Stunden ungestörten Schlafes zu bekommen.
»Ich habe ihm gesagt, daß Sie schlafen, aber er ließ nicht locker. Er hätte es den ganzen Vormittag versucht, soll ich Ihnen sagen. Und er will auch nicht sagen, was er von Ihnen will. Er ist unten am Telefon in der Küche.«
»Ist in Ordnung, ich rufe ihn von hier oben zurück.«
»Ja, gut.« Vegas Stimme klang traurig. Sie rief nach Tjelvar, um jemanden zu haben, mit dem sie ihren Nachmittagskaffee trinken konnte. Maria verspürte die schwere Last der Unzulänglichkeit auf ihrem Körper.
»Hallo, bist du auch mal zu Hause«, sagte Krister mit einem bissigen Unterton.
» Ich habe geschlafen.«
»Ach so, wann bist du denn ins Bett gekommen?«
»Vor drei Stunden.«
»Das aufregende Nachtleben in Visby? So was kann man sich natürlich nur gönnen, wenn man kinderfrei hat. Vega sagte, daß du mit jemandem, der Arvidsson heißt, einen Ausflug zu den Höhlen von Lummelunda unternehmen wolltest. Hattet ihr Spaß? Vielleicht sollte ich nicht so laut reden, womöglich schläft er noch.«
»Du kannst gerne herkommen und nachsehen.« Einen Moment lang erwog Maria, das Telefon mit ihrem Mann am Ohr einfach auszuschalten. Das mußte sie sich
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