Tod im Netz: Kriminalroman (Oldenburg-Krimi) (German Edition)
Wonka? Sprichst du über den Chef der OEW?«, fragte Paul erstaunt.
» Genau der .«
Axel verlagerte sein Körpergewicht unruhig von einem auf das andere Bein und wieder zurück und fuhr sich mit der Hand durch die Haare.
»Da gibt es noch etwas…«, der Profiler hatte offensichtlich Schwierigkeiten, den Satz zu beenden. Er gesellte sich zu Arne, und die beiden sahen plötzlich so aus wie zwei kleine Jungen, die etwas ausgefressen hatten und nicht mit der Sprache rausrücken wollten.
» Also los jetzt, raus damit!«, platze Paul der Kragen. Axel Meyerhoff schaute ihn verlegen an und suchte nach den richtigen Worten. »Was soll das hier? Hast du heimlich einen Volkhochschulkurs für Dramaturgie belegt, oder soll das ein Quiz werden?«
« Wir haben eine E-Mail von Kai Rentz alias ‚Ka Leviathan‘ gefunden, ich kann den Inhalt irgendwie gar nicht zusammenfassen und möchte etwaigen Schlussfolgerungen auch nicht vorweggreifen...« Axel und Arne blähten die Backen gleichzeitig auf und atmeten demonstrativ aus. Es sah fast aus wie einstudiert, so gleichmäßig geschah es.
» …aber das nächste Mal müsst ihr Oberstaatsanwalt Rentz wohl als Beschuldigten vernehmen.«
Die Kollegen schüttelten ungläubig mit den Köpfen und murmelten durcheinander, als Pauls Handy klingelte.
» Ja, Wiebke? Du, das ist gerade ganz schlecht, echt…« Er hörte dennoch angestrengt zu.
» Was? Sag das bitte noch einmal!« Paul verließ den Raum, um in einem Nachbarbüro ungestört telefonieren zu können.
» Was meinst du damit, Tom ist nicht nach Hause gekommen?« Paul hörte die Angst einer besorgten Mutter in der Stimme seiner Frau. Seine Armbanduhr verriet ihm, dass es 15.49 Uhr war. In zwei Stunden würde es draußen dunkel werden.
» Tom und Felix sind zusammen vom Kindergarten zurück gegangen, eigentlich wie jeden Tag.« Felix wohnte nur drei Häuser weiter im Astrid-Lindgren-Ring. Vom Kindergarten im Gemeindehaus der ‚Arche‘ im Geestweg bis zu ihnen nach Hause brauchte Tom normalerweise nur zehn Minuten, wenn er trödelte, vielleicht 15 Minuten. Verkehrstechnisch stufte Paul den Weg als völlig ungefährlich ein. Von der Spielstraße im Neubaugebiet musste Tom über die Fußgängerampel in die nächste Spielstraße gehen. Wiebke und er selbst hatten ihm immer wieder eingeschärft, nur zusammen mit Felix zum Kindergarten zu gehen. Dabei sollte er immer die 'schlafende' Fußgängerampel aktivieren. Das galt selbstverständlich auch für den Rückweg. Wenn Felix mal krank war, ging Wiebke mit Levke im Kinderwagen mit zur 'Arche'.
» Was heißt denn eigentlich?«
» Felix wollte Süßigkeiten beim Kiosk kaufen, er hatte ein glänzendes Ein-Euro-Stück dabei, das er morgens aus seinem Sparschwein gefischt hatte.« Pauls Gedanken rasten. Wie eine Hubschrauberkamera flog er gedanklich den Ortsteil Büppel ab, um sicherzugehen, dass es keinen anderen Kiosk, keine Tankstelle gab, außer dem in der Bürgermeister-Osterloh-Straße. Der lag aber nicht auf dem Heimweg, sondern fast genau in entgegengesetzter Richtung.
» Okay, da sind sie dann zusammen hingegangen, oder wie?«
» Ja, Felix ist rein in den Kiosk, Tom hat wohl gesagt, dass er draußen warten wollte. Es waren zwei Kunden vor ihm dran. Als Felix wieder rauskam, war Tom weg, wie vom Erdboden verschluckt. Paul, bitte tu was.« In Pauls Gehirn spukten Statistiken herum, die ihm sagten, dass es in über 90% dieser Fälle eine ganz einfache Erklärung gab und das Kind nicht entführt worden war. Sein Unterbewusstsein meldete sich warnend, wie die Stimme eines Teufels. Wenn ‚MrJudge‘ genau wusste, wo Lisbeth wohnte, dann könnte er auch wissen, wo deine Familie wohnt, oder? Der Engel in seinem Kopf sagte: Okay, Oberstaatsanwalt Rentz ist vielleicht ein Arsch, aber so etwas würde er nicht bringen. Warum sollte das Verschwinden mit den beiden aktuellen Fällen zu tun haben? Selbst wenn ‚MrJudge‘ ein völlig Fremder ist und rausbekommen hat, wo meine Familie wohnt, dann entführt er doch keine kleinen Jungen. Die Opfer waren junge Frauen, das macht doch gar keinen Sinn. Die andere Stimme säte weiter Zweifel : Oder doch?
» Hast du die ganzen Freunde abtelefoniert?« Wiebke schluchzte. Es war eine Mischung aus Weinen, Erzählen und Luftholen. Ihre brüchige Stimme war kaum noch zu verstehen.
» Ja, was denkst du denn? Die Erzieherin, sogar seinen Fußballtrainer, keiner hat ihn gesehen. Wir sind den normalen Weg, den Weg zum Kiosk, den Trampelpfad zum
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