Tod im Pfarrhaus
Katarina.
»Daran habe ich ja gar nicht gedacht! Ich muss sie unbedingt anrufen und ihr sagen, dass wir das Essen vorverlegt haben. Sonst glaubt sie noch, dass wir es wie immer am Ostersonntag machen«, rief Irene und eilte aus der Küche zum Telefon in der Diele.
Karfreitag begann mit strahlender Sonne und wolkenlosem Himmel. Laut Wetterbericht sollte es allerdings nicht sonderlich warm werden. Irene und Krister kümmerten sich den Vormittag über um ihren sträflich vernachlässigten Garten. Was spielte es schon für eine Rolle, dass sie das Laub des Vorjahrs erst Anfang April zusammenrechten? Irene redete sich immer ein, dass etwas schützendes Laub gut für den Rasen sei, falls es einen kalten, schneefreien Winter gab. Ganz sicher wurde der Boden etwas gedüngt, wenn die Blätter verrotteten. Das war nämlich auch der einzige Dünger, den er je bekam. Wenn man näher darüber nachdachte, dann war ihr kleiner Garten ökologisch gesehen einwandfrei, jedenfalls war er frei von Kunstdünger.
Krister begann bereits um die Mittagszeit damit, das Osterbüfett vorzubereiten. Den Hering hatte er bereits Anfang der Woche eingelegt. Da hatte er auch den Lachs in Koriander gebeizt und die Hummerpastete zubereitet. Jetzt briet er die Hühnerfilets, die kalt mit verschiedenen Dips auf dem Büfett stehen würden. Irene hatte ihn wie ein hungriger Barrakuda umkreist und ein leckeres Mangochutney und eine Sauce aus Crème fraîche, frischem Basilikum und Knoblauch entdeckt. Aus dem Ofen drang der Duft von Kartoffelgratin mit Anchovis, das für Irene auf keinem Weihnachts- und Osterbüfett fehlen durfte. Daneben stand wie immer brutzelnd ein Gratin aus Kartoffeln, Möh ren und Pastinaken. Jenny hatte erzählt, Martin sei Vegetarier, trinke jedoch Milch. In Jennys Augen, sie war Veganerin, war er also nicht ganz rechtgläubig, aber das machte ihr offensichtlich nichts aus. Jenny hatte versprochen, einen großen Tomaten- und Zwiebelsalat zuzubereiten und da zu Kichererbsenpilaw. Letzteres war ihre Spezialität, reis- und kichererbsengefüllte Paprika. Dem Rest der Familie schmeckten die gefüllten Paprika ebenfalls, und deswegen hatten sie das Osterbüfett um dieses Gericht erweitert. Die obligatorischen hart gekochten Eier kühlten gerade in kaltem Wasser ab, dann wurden sie halbiert und mit Majonäse, Kaviar und Krabben dekoriert. Das Dessert war ebenfalls seit mehreren Tagen fertig. Im Eisschrank stand Kristers Punschparfait. Dieses servierte er mit seiner Schokoladensauce, die er nach einem geheimen Rezept zubereitete. Irene hatte inzwischen rausgekriegt, dass sie Kaffee und ziemlich teure Bitterschokolade enthielt. Es handelte sich um das beliebteste Dessert aus dem Glady’s Corner, das nicht von der Karte verschwinden durfte, weil sonst die Stammgäste meuterten.
Irenes Mama Gerd und ihr Partner Sture kamen gegen fünf. Es war immer noch warm genug, um ein Glas Sekt im Garten zu trinken. Sie trugen Wolljacken und Pullover, aber die Luft war schon frühlingshaft. Sie unterhielten sich gerade auf der Terrasse, als Jenny und ihr Martin erschienen.
Irene schaute hastig auf ihre rechte Hand, um sich zu vergewissern, dass sie ihr Glas nicht fallen lassen würde. Jetzt verstand sie, wieso Jenny gezögert hatte, als sie am Vortag von Martin erzählt hatte. Alle verstummten und betrachteten die schlaksige Gestalt.
Martin war knapp über zwanzig. Sein Haar war schwarz gefärbt und schulterlang. Sein T-Shirt war ebenfalls schwarz und trug die rosa Aufschrift »Fuck me, I am famous!«. Die schwarze Jeans hatte große Löcher, durch die seine mageren Knie zum Vorschein kamen. Seine Unterlippe war mit einem breiten Ring gepierct, seine eine Braue eben falls. Die Augen hatte er mit einem Kajalstift kräftig geschminkt. Um den Hals zog sich eine breite Tätowierung in Blau und Rot. Er hatte die Schuhe ausgezogen und blieb in seinen löchrigen schwarzen Strümpfen, aus denen die großen Zehen herausragten, auf der Schwelle stehen.
Als Erstes fand Irenes Mutter die Sprache wieder. Sie lächelte fröhlich und trat auf den jungen Mann zu.
»Hallo. Ich bin Jennys Großmutter Gerd.«
Martin nahm ihre Hand und begrüßte sie überaus höflich.
»Martin«, sagte er.
Irene nahm sich zusammen und trat ebenfalls auf ihn zu. Sie stellte erst sich und dann den Rest der Familie vor. Katarina hatte ihren neuen Freund, Johan, nicht dabei. Er war, soweit Irene das mitbekommen hatte, mit ein paar Freunden zum Skifahren in Norwegen. Trotzdem war
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