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Tod im Staub

Tod im Staub

Titel: Tod im Staub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian W. Aldiss
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war offensichtlich ein Tempel. Er schien fertig, zumindest von außen. Er war höher als alle anderen Häuser und trug einen Turm, der sich in den vor Hitze flimmernden Himmel erhob.
    Die Tempelfassaden und auch der Turm waren mit komplizierter Mosaikarbeit geschmückt. Einige dieser Mosaiken, die ich beim ersten Hinsehen für eine rissige, von der Sonne ausgetrocknete Stelle in der Mauer hielt stellten Vertreter verschiedener afrikanischer Nationen dar, die mit heldischem Blick und stolz geblähten Nüstern über die Meere blickten. Dieser Prunk kontrastierte so stark mit den strengen Linien und kahlen Flächen der weißen Gebäude, die den Platz säumten, daß ich unwillkürlich an Thunderpeck denken mußte, den ich einmal in der Badewanne gesehen hatte; sein runzliges, zerfurchtes Gesicht bildete einen ähnlichen Gegensatz zu den glatten, runden Flächen seines Körpers.
    Als ich mir den Turm ansah, war ich sicher, daß er es war, den ich vom Deck der Trieste Star aus entdeckt hatte. Auf dem großen Platz waren ein paar Arbeiter damit beschäftigt, bunte Steinblöcke in einem kunstvollen Muster auszulegen, das den größten Teil der Fläche überziehen sollte.
    Ich konnte nicht über den Platz gehen, ohne mich der Gefahr auszusetzen, daß man mich entdeckte. Während ich noch überlegte, näherte sich aus der Richtung, aus der ich gekommen war, ein Auto. Ich kauerte mich im Schatten einer Arkade nieder, die zu einem der Gebäude gehörte, und blickte vorsichtig hinter einem Pfeiler hervor.
    Ein schwarzer Wagen kam näher. Jemand lehnte sich weit aus einem Fenster heraus und beobachtete im langsamen Vorbeifahren aufmerksam die Seitenstraßen. Das war sicher Israt.
    Das Gebäude, in dessen Arkaden ich mich versteckt hatte, war eines jener monströsen Hotels, die so charakteristisch für diese Stadt waren. Ohne zu zögern, drehte ich mich um, ging hinein und weiter durch die Hotelhalle, um möglichst von den Fenstern wegzukommen. Während ich einen Bogen um die Anmeldung machte, damit der Portier, der schläfrig vor sich hindöste, nicht auf mich aufmerksam wurde, entdeckte ich ein Schild, dessen Aufschrift mich wie ein Schlag traf. Dann ging ich auf den Lift zu. Ich hatte einen festen Entschluß gefaßt.
    Ich war im Hotel Südatlantik, und das war das Hotel, in dem Peter Mercator wohnte.
     
     
    8
     
    Die Psychologie der Jagd ist etwas Seltsames. Sie beruht auf der Annahme einer bestimmten Geisteshaltung des Verfolgten. Ich rannte, weil ich rannte. Der plötzliche Schreck, mich gerade an dem Ort wiederzufinden, dem ich entgehen wollte, brachte mich schlagartig zur Besinnung, und ich erkannte, daß mein Verhalten falsch gewesen war.
    Aber was hatte ich denn von Peter Mercator zu befürchten, wer immer er war, wie mächtig er auch sein mochte? Ich brauchte ihm nur zu erklären, wer ich war und auf welche Weise die Briefe in meine Hände gelangt waren, die Justine ihm geschrieben hatte. Natürlich war ich mir bewußt, daß es vielleicht nicht ganz so einfach sein würde, aber auf jeden Fall war es sinnlos, in einer Stadt herumzulaufen, in der ich mich nicht auskannte. Solange ich das Überraschungsmoment auf meiner Seite hatte, war es wohl am klügsten, diesem Mercator einfach gegenüberzutreten und zu sehen, was ich tun konnte, um meine und Justines Lage zu verbessern.
    Während ich diesen Entschluß faßte, der so sehr im Gegensatz zu dem stand, was ich nur wenige Minuten vorher geplant hatte, erinnerte ich mich an etwas, das mein alter, zerlumpter Lehrer und Peiniger Jordill einmal zu mir gesagt hatte: »Niemand kann entscheiden, was du bist, die anderen müssen sich stets nach dem richten, was du beschlossen hast zu sein.« Das ist zwar nur eine Halbwahrheit, die aber genauso wirkungsvoll ist wie manche ganze Wahrheit.
    Als ich im obersten Stockwerk aus dem Lift stieg, stand ich vor dem Eingang eines üppig eingerichteten Restaurants - das heißt, es würde üppig sein, wenn es einmal fertig war; das eine Ende des Raumes bot mit den farbenfrohen Wandmalereien, den eleganten, weißgedeckten Tischen, auf denen Tafelsilber schimmerte, und dem Tischschmuck aus herrlichen, blutroten Rosen - die aber kaum echt sein konnten - einen prächtigen Anblick. Am anderen Ende waren die Wände noch unverputzt, und überall standen mit Tüchern verhängte Gegenstände herum. Aber an diese Einzelheiten erinnere ich mich erst heute; damals war ich nicht von dem Anblick, sondern von dem verführerischen Essensgeruch überwältigt.

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