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Tod im Staub

Tod im Staub

Titel: Tod im Staub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian W. Aldiss
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weshalb morgen der bedeutendste Tag in der Geschichte Afrikas sein wird.«
    Ich stand auf. Thunderpeck und ich sahen uns an.
    »Ich habe mir noch nie etwas aus bedeutenden Tagen gemacht«, sagte ich. »Doc, würden Sie hierbleiben und Israt bewachen, während ich zu Mercator gehe? Wenn ich innerhalb einer halben Stunde nicht zurück bin, dann sollten Sie diesen Kerl hier fesseln und knebeln und sich eiligst davonmachen.«
    »Um Himmels willen, Knowle, keiner von uns kennt sich hier aus! Könnten wir nicht einen Treffpunkt vereinbaren?«
    Leise, so daß Israt es nicht hören konnte, flüsterte ich ihm ins Ohr:
    »Vor dem Hotel liegt der größte Platz in der Stadt, der Platz des Präsidenten. Das größte Gebäude an seinem Rand hat auch den höchsten Turm. Sie können es nicht verfehlen. Es ist eine Art Tempel. Falls wir uns trennen müssen, treffen wir uns dort am Fuße des Turms.«
    Er schüttelte den Kopf. »Verrückt!« sagte er. Als ich hinausging, schüttelte er noch immer den Kopf.
    Angetan mit dem weißen Kittel und der dunklen Sonnenbrille, ging ich den Korridor entlang und versuchte das, was Israt uns erzählt hatte, zu verarbeiten und zu ordnen. Was ich als eine Stadt der Verzweiflung angesehen hatte, war in Wirklichkeit eine Stadt der Hoffnung. Diese Tatsache allein genügte schon, um die Aasgeier anzulocken. Ich konnte sie mir deutlich vorstellen, ohne daß man mir Einzelheiten erzählte: schäbige kleine Cliquen mit geschäftlichen Interessen, Politiker, die eigennützige Ziele verfolgten, Banditen, die weiterhin aus einem geteilten Afrika Profit schlagen möchten. Ich überlegte, zu welcher Kategorie Mercator gehören mochte.
    Nachdem ich nach links um die Ecke gebogen war, fand ich mich vor einer Tür, an der eine Karte mit den folgenden drei Worten befestigt war:
     
    Peter Mercator
    England
     
    Ich blickte mich unauffällig um und sah die vier Männer, die ich bestohlen hatte, immer noch im Restaurant sitzen. Zweifellos gehörten sie zu den Ehrengästen, die zur Eröffnung von Walvis Bay eingeladen oder aus irgendwelchen eigennützigen Motiven heraus hier aufgetaucht waren. Ich dachte, wie alt doch diese Ungerechtigkeit war, so alt wie die Menschen selbst, daß solche Leute schamlos prassen konnten, während die Menschen, deren Vertreter sie angeblich waren, in der Enge ihres Daseins mit halben Lebensmittelrationen dahinvegetierten.
    Als ich an Mercators Tür klopfte, sagte eine energische Stimme: »Herein!«
    Ich trat in einen kleinen Vorraum mit mehreren Türen. Eine davon stand offen. Ich konnte ein Zimmer mit einem Balkon und ein Stück des Ozeans und der Strandpromenade sehen.
    Auf einer Sessellehne saß ein kleiner, gepflegter Mann. Wie hypnotisiert ging ich auf ihn zu.
    Sein Haar war weiß, sein Gesicht blaß, die Augenbrauen und der Kinnbart schwarz, wenn auch bereits etwas angegraut. Obwohl ich ihn nur einmal in meinem Leben gesehen hatte, dieses Gesicht würde ich niemals vergessen.
    »Peter Mercator?« fragte ich.
    »Ja, treten Sie näher«, sagte der Farmer.
     
     
    9
     
    Als ich noch ein kleiner Junge war, spielte ich mit Hammer oft Farmer und Landarbeiter oder Farmer und Wanderer oder Farmer und Städter, aber immer Farmer und irgend etwas. Kinder pflegen ja alles zu vereinfachen, für uns waren die Farmer groß und mächtig und grausam, und auch wir hatten den Wunsch, so zu sein, während wir die unappetitlichen Arbeiten ausführten, die unser Meister uns auftrug.
    Farmer hatten das Recht, jemanden zu verfolgen. Farmer durften prügeln. Obwohl Hammer und ich beim Rennen und Raufen einander ziemlich ebenbürtig waren, behielt derjenige von uns, der die Rolle des Farmers spielte, stets die Oberhand. Durch die unsichtbare Macht jenes schrecklichen Namens war er dem anderen überlegen - selbst wenn dieser einen Wanderer spielte.
    Soviel kann ein bloßer Titel bewirken. Selbst unsere braunen, faulenden Zähne wurden wieder weiß, wenn wir vorübergehend in die Rolle des Farmers schlüpften.
    Natürlich wußte keiner von uns, was ein Farmer eigentlich war und was er tat. Aber wir wußten, daß alles Leben in den Plattform-Städten von den Farmern abhing; sie waren es, die den Menschen die Nahrung gaben, aber sie waren es auch, die ihnen das Messer an die Kehle setzen konnten. Gerade weil der Farmer nur eine schemenhafte Gestalt war, erschien er um so furchteinflößender. Wir sahen Menschen an den verschiedensten Mangelkrankheiten oder ganz einfach vor Hunger sterben, und wir gaben den

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