Tod im Tauerntunnel
Appartements in diesen Riesenschuppen.«
»Du mußt die allgemeine Hysterie dazurechnen«, sagt Gächter.
»Ja, schon; aber mir ist es noch immer unerklärlich, wie man mit einer Maschinenpistole auf einen nackten Mann schießen kann.«
»Übrigens, hochverdächtig war er nicht«, korrigiert Gächter; »er hatte nur zufällig mal in einer Wohnung gewohnt, die später ein paar Baader-Meinhof-Leute angemietet haben.«
»Zum Kotzen«, sagt Bienzle; »als obs keine einfacheren Methoden gäbe, einen solchen Mann festzunehmen. Da stürmen die im Morgengrauen mit einer ganzen Armee ein Appartement... Sieh zu, daß du weiterfährst - es ist grün.«
Gächter gibt Gas. »Auf jeden Fall ist der Grüner gefährlicher als der McLeod...«
Sie schwiegen eine Weile. Dann fragt Gächter:
»Kennst du eigentlich die Asemwaldhäuser?«
»Den Hannibal? - Drei Riesenhochhäuser mit insgesamt fünftausend Bewohnern. Alles Eigentumswohnungen. Herrliche Lage im Wald mit Blick auf den Flughafen und die Schwäbische Alb. Häßlich, grau, massig.«
»Ich weiß nicht - man soll da fürstlich wohnen.«
»Korridore wie Straßen, Aufzüge wie Eisenbahnen, organisierte Anonymität auf engstem Raum«, murrt Bienzle. »Also für mich wär das nichts.«
Sie haben jetzt die Obere Weinsteige erreicht. Unter ihnen liegt Stuttgart. Eine schöne Stadt. Zwischen Hügel hingekuschelt und überdeckt von einer bleischweren schwarzgrauen Glocke aus Staub und Gas.
»Weißt du was«, sagt Bienzle, »ich fühle mich, wie die Stadt da unten aussieht; so als ob ich gleich ersticken und zerfließen müßte.«
»Ideale Voraussetzungen für eine schwierige Verhaftungsaktion.«
»Du tust gerade so, als ob wir den Grüner da oben antreffen würden.«
»Auch ein Bulle hat manchmal Glück.«
»Bisher hält sich's in Grenzen.«
»Du bist undankbar«, sagt Gächter; »wir wissen schon unheimlich viel.«
»Ja, ja, wir wissen alles - nur nicht, wer der Mörder ist und warum er morden mußte.« Bienzle stellt seine Rückenlehne zurück. »Ich schlaf mal fünf Minuten.« Er schließt die Augen.
Sekunden später schnarcht er gleichmäßig. Gächter fährt sehr behutsam. Stoppt vorsichtig und startet weich. Immer wieder blickt er zu Bienzle hinüber, und dabei hat er ein seltsames Gefühl. Zuneigung nennt man so etwas wohl. Er mag ihn, diesen Raubauz, der sich immer so schrecklich bemüht, ja niemandem Unrecht zu tun, der in einem Atemzug Leute beschimpfen und sich dafür entschuldigen kann, der immer von sich denkt, er mache alles unvollkommen, und der doch einer der leistungsfähigsten Polizisten ist.
Drei Kilometer Schnellstraße, dann am Hotel Stuttgart International links ab, vorbei an den Kelley-Barracks, der amerikanischen Kaserne, und über einen Feldweg mit dem Schild DURCHFAHRT VERBOTEN direkt auf den Riesenparkplatz zwischen den drei Hochhäusern. Sieht aus, wie wenn man beim Monopolyspiel auf einer Straße zu viele Häuser hat, denkt Gächter und stellt den Motor ab. Bienzle raunzt und versucht sich herumzudrehen. Seine Schulter schmerzt.
»Wir sind da«, sagt Gächter.
»Schade. Von mir aus hättest du bis Zürich fahren können...« Er quält sich aus dem Auto.
»Hast du wenigstens eine Pistole mit?« fragt Gächter.
»Ja, ausnahmsweise. Glaub ja nicht, daß ich den Typ unterschätze.«
Die beiden Polizisten suchen das Haus römisch eins, Block A, Aufgang drei und nehmen den Aufzug zum 15. Stock.
»Wie heißt denn die Puppe?« fragt Bienzle.
»Rosemie Stern.«
»Klingt fast wie ein Künstlername.«
Der Fahrstuhl hält. Sie steigen aus.
»Nervös?« fragt Gächter.
»Du etwa nicht?«
»Nein.«
Bienzle bleibt stehen und schaut den andern an. »Na hör mal... So kaltblütig bist du doch nicht!«
»Nicht kaltblütig. Gleichmütig, vielleicht auch gleichgültig... Mich regt das nicht auf. Ich hab sogar Mühe, dem allem einen Sinn abzugewinnen.«
»Laß gut sein«, sagt Bienzle; »philosophieren können wir heute abend beim Bier.« Er hat das Appartement gefunden. Er klingelt und hält seine Hand auf das Guckloch.
Rosemie Stern öffnet - eine sehr blonde, sehr hochbusige Frau in einem sehr kurzen Hauskleidchen. Die Füße stecken in hochhackigen Fellpantoffeln.
»Ja, bitte?« sagt sie.
Bienzle läßt sich auf gar nichts ein. Er tritt kräftig mit dem Fuß gegen die Tür und steht auch schon im Zimmer. Gächter drängt nach und schiebt die Frau, die einen spitzen empörten Schrei ausstößt, zur Seite.
Max Grüner sitzt bequem in einem
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