Tod im Tauerntunnel
Blick nach hinten, die Arme auf der Lehne verschränkt.
»Der Porsche?« fragt er.
»Ja.«
»Heilig's Blechle«, murmelt Bienzle, »man könnt meine, mr wäret in Chicago ...«
Gächter sagt: »Herr Grüner, wir könnten jetzt halten und Sie aussteigen lassen. Damit würden wir uns viel Arbeit ersparen. Der Öffentlichkeit könnten wir sagen, die Leiche auf der Weinsteige ist der Mann, der Jarosewitch umgebracht, Hannelore Schmiedinger angeschossen und Frau Korbut überfallen hat. Der Fall ist gelöst... Wir bekommen ein Sonderlob, die Bevölkerung kann ruhig schlafen, und der Staat spart einen teuren Prozeß...«
Bienzle hat Mühe, sich im Zaum zu halten und nicht herumzufahren, um Gächter für diesen grandiosen Unsinn zur Rechenschaft zu ziehen. Aber da sieht er, wie sich Grüners Körperhaltung versteift, wie er schmale Augen bekommt und unruhig mit den gefesselten Händen spielt.
»Alles Tricks«, sagt er mit unsicherer Stimme.
Und Gächter sagt: »Wir sind nun mal Bullen. Wenn Sie mir nicht glauben, drehen Sie sich doch um.«
Er beobachtet im Rückspiegel, wie Grüner eine langsame Körperdrehung macht, den Hals reckt und über die eigene Schulter schaut. Gächter verlangsamt sein Tempo. Ein grüner Porsche ist nur wenige Meter hinter ihnen. Bienzle kniet noch immer auf seinem Sitz.
Gächter sieht links vor sich in der Mitte der Straße zwischen zwei Fußgängerinseln eine Straßenbahnhaltestelle. Die letzten Fahrgäste steigen gerade ein, davor eine schmale Durchfahrt. Er berechnet seine Chance. Etwa zweihundert Meter weiter unten kommt der Gegenverkehr als Pulk die Weinsteige herauf. Die Ampel unten an der Alexanderstraße muß soeben auf Grün geschaltet haben. Aus den Augenwinkeln beobachtet Gächter, wie sich die Türen der Bahn schließen. Er gibt Gas, passiert den hinteren Wagen und bemerkt, daß sich der gelbe Zug in Bewegung setzt. Gächter packt den Schaltknüppel, kuppelt, reißt den zweiten Gang hinein, geht gleichzeitig auf die Bremse. Die Autos im Gegenverkehr sind nur noch dreißig Meter entfernt, die Straßenbahn schiebt sich auf den Durchlaß zu. Gächter schreit: »Festhalten!« und reißt das Steuer mit einem Ruck nach links. Der Wagen bricht hinten aus. Gächter gibt Gas und erreicht schleudernd die Gegenfahrbahn. Bienzle wird gegen die Frontscheibe geworfen. Die Bahn bremst ruckartig. Staub stiebt auf. Der Straßenbahnführer klingelt wie verrückt. Die entgegenkommenden Autos hupen. Gächter treibt den Motor auf unerlaubte Tourenzahlen, dann schaltet er in den dritten Gang. Sie fahren in der Richtung, aus der sie gerade gekommen sind.
»Idiot«, sagt Bienzle und hält sich die rechte Schulter. »Und immer auf die gleiche Stelle!« mault er und läßt sich auf den Beifahrersitz plumpsen. Er sieht Gächter fragend an; der schüttelt fast unmerklich den Kopf, und Bienzle tut der harmlose Porschefahrer fast leid, der nie erfahren wird, daß er soeben bei Metro-Goldwyn-Gächter eine wichtige Nebenrolle gespielt hat. Raffinierter Hund, der Gächter...
Grüner, der das nicht durchschauen konnte, sagt voller Ehrfurcht: »Clever gemacht, das muß ich sagen.«
Er glaubt's, denkt Bienzle. Wird er weich werden?
»Wo ist das nächste Revier?« fragt Gächter völlig ruhig, und Bienzle antwortet: »Ich denke, da unten bei der Leonhardskirche.«
»Könnte sein, daß ich Ihnen das Leben gerettet habe«, meint Gächter zu Grüner.
»Vielleicht«, sagt der ziemlich kleinlaut.
Klappt der Trick?
»Haben Sie jemand erkannt?«
Grüner schüttelt den Kopf. »Nein.«
Kein Wunder... Bienzle dreht sich um. Jetzt muß er seine Rolle spielen. »Sie müssen doch selbst am besten wissen, wozu diese Kerle fähig sind«, sagt er. »Das ist eine organisierte Bande von Profis. Sie sind ja schließlich auch einer. Sicher, die könnten sich auch bemühen, Sie rauszuhauen, aber wenn ihnen das nicht gelingt - und dafür sorgen wir schon - bleibt nur noch eins: Die Bande muß verhindern, daß Sie aussagen... Das müßte eigentlich auch in Ihren Holzkopf gehen.«
»So kochen Sie mich nicht weich.« Grüner hat sich inzwischen wieder gefangen.
»Wie Sie wollen«, seufzt Bienzle. »Das bedeutet lange Verhöre... Ach nein: Wir haben da eine Zeugin, die geradezu darauf brennt, gegen Sie auszusagen!« Bienzle glaubt kein Wort von dem, was er sagt. Und er weiß, daß Gächters Versuch, Grüner Angst zu machen und dadurch zum Reden zu bringen, schiefgegangen ist. Vorläufig jedenfalls.
Ohnehin hochgradig illegal,
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