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Tod in Blau

Tod in Blau

Titel: Tod in Blau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Goga
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den Entwurf aus dem
     Gedächtnis ein zweites Mal auf die Leinwand zu übertragen.
    Paul stürzte aus dem
     Atelier, den Geldschein fest umklammert, und malte sich aus, was er davon
     alles kaufen konnte. Bonbons, ganz viele, vielleicht reichte es auch noch
     für eine echte Steinschleuder oder
     Sammelbildchen. Zuvor aber musste er nach Hause und das aufgerollte Blatt
     verstecken, das hatte er dem Maler schließlich versprochen. Er war
     so aufgeregt, dass er beinahe mit einem Mann im Wintermantel
     zusammenprallte, der reglos im Schatten der Bäume stand. Paul konnte
     ihm gerade noch ausweichen und stürmte voller Vorfreude davon.

 
    6
    Der Novemberregen glitzerte
     im Licht der Straßenlaternen. Auf der Friedrichstraße waren
     nur wenige Leute unterwegs, doch die Tanzsäle und Varietés,
     die Theater und Kabaretts waren hell erleuchtet. Ein paar Betrunkene, die
     in Hauseingängen schliefen, schreckten hoch, als die Lastkraftwagen
     von allen Seiten heranrollten. Von der Weidendammer Brücke bis zur
     Leipziger Straße tauchten sie in allen Seitenstraßen auf und
     riegelten diese ab, bis niemand mehr ungesehen in die Friedrichstraße
     hinein- oder aus ihr hinausgelangen konnte. Es war kurz vor Mitternacht,
     die übliche Zeit für eine Razzia in dieser Gegend.
    Oberkommissar Albrecht stand
     in Hut und Regenmantel mitten auf der Fahrbahn und teilte die
     Hundertschaft Schutzpolizei ein. Die Männer fächerten sich auf
     und stürmten in die umliegenden Vergnügungspaläste. Wer
     keinen Ausweis mit Lichtbild vorzeigen konnte, wurde auf den nächsten
     Lastwagen verladen und zum Polizeipräsidium gefahren. Und das waren
     die allermeisten, da zahllose gefälschte Papiere wie Militärpässe,
     Geburtsurkunden und Meldescheine in Umlauf waren, in die man nach Belieben
     Namen und Geburtsdatum eintragen konnte.
    Ein Schutzpolizist hielt
     einen älteren Mann an, der aus einem beliebten Varieté kam.
     »Den Ausweis, bitte.«
    »I beg your pardon, but
     this must be a mistake«, sagte der gut gekleidete Herr, der einen
     Regenschirm unter den Arm geklemmt hatte und nun in seiner Brieftasche zu
     wühlen begann. »Please let me show you my …«
    Der Schupo warf einen Blick
     auf den Diplomatenpass und salutierte. »Verzeihung, der Herr.«
    Der britische
     Regierungsvertreter lächelte nachsichtig und zog mit aufgespanntem
     Schirm von dannen. Zum Glück reagierte der ehrliche Teil der Berliner
     Bevölkerung in der Regel ähnlich gelassen auf die Razzien, mit
     denen die Polizei gegen die wuchernde Kriminalität ankämpfte.
    Die Razzia war ein voller
     Erfolg. Die Polizei beschlagnahmte umfangreiches Diebesgut und kassierte
     zahlreiche »Flebben«, gefälschte Ausweispapiere aller
     Art. Nur mit einem Ausweis kam man an eine Wohnung, eine Arbeitsstelle
     oder rationierte Lebensmittel, und gegen Geld, besser noch Devisen oder
     andere Wertsachen, war in gewissen Kreisen alles zu haben - Militärpässe,
     Geburtsurkunden, Meldescheine und Brotkarten.        
    Im Präsidium wurden die
     Beutestücke sorgfältig aufgelistet und mit den Gegenständen
     abgeglichen, die bei Einbrüchen und Raubüberfällen als
     gestohlen gemeldet worden waren.
    Zwei Tage später fand
     Leo die Liste wie üblich auf seinem Schreibtisch vor und warf einen
     flüchtigen Blick darauf, blieb aber an einem Posten hängen. Er
     ging rasch ins Vorzimmer und legte Walther das Blatt hin: »Post von
     der Inspektion B, Robert. Ich glaube, wir können die Akte Bremer demnächst
     schließen.«
    »Eine goldene
     Taschenuhr mit Kette, Gravur auf dem Innendeckel: »Meinem Neffen
     Carl zur Konfirmation, 12. April 1912«, las Walther vor. »Also
     doch ein Überfall.«
    »Sieht so aus«,
     meinte Leo. »Sie haben die Uhr bei Keulen-Theo gefunden, einem alten
     Bekannten der Einbruchsinspektion. Als gewalttätig bekannt, hat schon
     dreimal in Tegel eingesessen. Konnte nicht überzeugend erklären,
     woher er das gute Stück hat. Wir müssen die Uhr noch Bremers
     Chef zeigen und Theos Alibi für den fraglichen Tag überprüfen,
     aber das dürfte eher eine Formsache sein.« Er heftete den Beleg
     in die Akte Bremer. »Wie gern hätte
     ich diesen von Mühl noch mal in die Zange genommen«, meinte er
     seufzend. »Sein Verein ist mir immer noch nicht geheuer.«
    »Alles andere hätte
     mich auch gewundert«, sagte Walther und zündete sich eine
     Zigarette an.
    »Ich würde nie
     einen Menschen verurteilen, nur weil ich seine politischen

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