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Tod in Blau

Tod in Blau

Titel: Tod in Blau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Goga
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sie einfach
     abgeholzt und verfeuert. Seither sähe die Gegend aus wie die Sahara,
     hatte sein Freund gesagt. Als er den Maler gefragt hatte, was die Sahara
     denn sei, erzählte der ihm von den Tieren aus Afrika. Ein Herr
     Hagenbeck aus Hamburg wollte hier einen Tierpark mit lauter Elefanten und
     Giraffen bauen, aber dann war der Krieg gekommen. Vorbei war es mit dem
     Tierpark. Allerdings hatten vorher schon alle Straßen in der Gegend
     afrikanische Namen bekommen. Paul selbst wohnte in der Togostraße,
     was sich sehr weit weg anhörte. Wenn er Zeit hatte, setzte er sich
     manchmal mitten in den Sand und träumte von Kamelen, die schwankend
     an ihm vorüberzogen. 
    Es half nichts, irgendwann
     musste er nach Hause gehen. Hoffentlich hatte der Vater nicht gemerkt,
     dass er so lange fort gewesen war. Paul stand auf und klopfte sich den
     Kohlenstaub von Hemd und Hose. Er tastete nach
     dem Bild, das er dem Maler hatte zurückgeben wollen. Wohin damit? Er
     konnte es doch nicht einfach im Keller der Kneipe lassen. Dann kam ihm
     eine Idee. Der Kaninchenstall im zweiten Hof, da würde er es unters
     Stroh legen.
    Er stahl sich aus der Tür
     und wollte rasch durch den Torbogen laufen, als er eine feste Hand auf der
     Schulter spürte. Erich Oster, der Kneipenwirt. Eigentlich ein netter
     Mann, der viel Geduld mit ihm hatte und ihm auch mal eine Wurst oder ein
     wenig Geld zusteckte, doch jetzt wollte Paul mit niemandem reden.
    »Was machst du denn
     hier, Junge? Ist doch gar nicht dein Tag, oder? Siehst ganz verfroren aus.
     Komm mal mit rein, kriegst 'ne heiße Milch.« Sein Griff war so
     bestimmt, dass Paul nicht wagte, sich ihm zu entziehen, sondern Oster
     durch die Hintertür in die angenehm warme Kneipe folgte. Am Tresen
     standen einige Männer, die aufgeregt diskutierten. Er schnappte nur
     ein paar Sätze auf, verstand auch nicht alles, doch die Worte ließen
     ihn innerlich zu Eis erstarren. Wenn der Wirt nur nichts merkte.
    »Ick sach doch -
     verkohlt wie 'n Stück Holz. Hat wohl mit Terpentin und so hantiert.«
    »Ick hab gar nich
     jewusst, det Kunst so jefährlich sein kann«, warf ein zweiter
     Mann ein.
    »Woher sollste det ooch
     wissen?«, sagte ein anderer. »Bei Borsig brauchste nich zu
     malen, wa?«
    »Ick hab's von meinem
     Vetter, der is bei der Feuerwehr. Hab ihn jetroffen, wie se von die
     Rehberje kamen. Üble Jeschichte, hat er jesacht.«
    Oster beugte sich über
     die Theke und nickte zu dem Jungen hinüber. »Nicht so laut, ich
     glaub, der Kleine kriegt Angst.«
    »Ach, der versteht doch
     nüscht, Erich«, sagte einer der Gäste und tippte sich an
     die Stirn.
    Paul kannte die Geste. Er
     ahnte, was sie bedeutete, und sie hatte ihm nie
     gefallen. Rasch trank er seine Milch aus und stahl sich aus dem
     Schankraum.
    »Bis morgen«,
     rief ihm der Wirt hinterher. Paul nickte, lief schnell die Kameruner Straße
     entlang und bog nach rechts in die Togostraße ein. Er rannte durch
     die Durchfahrt des grauen Mietshauses in den zweiten Hof, wo in einer Ecke
     ein fast vergessener Kaninchenstall stand. Er war groß, fast ein hölzernes
     Häuschen. Der Besitzer war letztes Jahr gestorben, die Tiere hatte
     man längst geschlachtet, doch niemand war auf die Idee gekommen, den
     leeren Stall wegzuschaffen. Paul öffnete die Drahttür und kroch
     hinein. Er meinte noch immer etwas von der Wärme der Kaninchen zu spüren.
     Dann zog er vorsichtig das Blatt Papier aus dem Hemd und faltete es
     auseinander.
    Bisher hatte er ja nur einen
     kurzen Blick darauf geworfen, weil ihm das Bild nicht behagte. Paul fürchtete
     sich vor Dingen, die er nicht verstand. Nun aber schaute er noch einmal
     hin. Die blaue Farbe war ganz schön, der Rest machte ihm Angst. Ein
     Mann in grauer Uniform mit strengem Gesicht, der eine andere Gestalt
     festhielt. Die war nicht richtig zu erkennen, schien aber sehr jung zu
     sein, fast noch ein Junge. Und der schrie.
    Rasch faltete Paul das Papier
     zusammen und schob es in der äußersten Stallecke unter das
     alte, muffige Stroh. Hier würde es niemand finden. Er bereute, dass
     er sich das Bild angesehen hatte. Es machte ein schlechtes Gefühl im
     Bauch.
    Hier im Stall fühlte er
     sich geborgen. Er rollte sich zusammen und überließ sich seiner
     Trauer.
    *
    Walther fing Leo, der gerade
     aus der Mittagspause kam, in der Dircksenstraße mit einem
     Dienstwagen ab. »Steig ein. Die Feuerwache Schillerpark hat
     angerufen. Brand in einem Maleratelier,

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