Tod in Blau
sie einfach
abgeholzt und verfeuert. Seither sähe die Gegend aus wie die Sahara,
hatte sein Freund gesagt. Als er den Maler gefragt hatte, was die Sahara
denn sei, erzählte der ihm von den Tieren aus Afrika. Ein Herr
Hagenbeck aus Hamburg wollte hier einen Tierpark mit lauter Elefanten und
Giraffen bauen, aber dann war der Krieg gekommen. Vorbei war es mit dem
Tierpark. Allerdings hatten vorher schon alle Straßen in der Gegend
afrikanische Namen bekommen. Paul selbst wohnte in der Togostraße,
was sich sehr weit weg anhörte. Wenn er Zeit hatte, setzte er sich
manchmal mitten in den Sand und träumte von Kamelen, die schwankend
an ihm vorüberzogen.
Es half nichts, irgendwann
musste er nach Hause gehen. Hoffentlich hatte der Vater nicht gemerkt,
dass er so lange fort gewesen war. Paul stand auf und klopfte sich den
Kohlenstaub von Hemd und Hose. Er tastete nach
dem Bild, das er dem Maler hatte zurückgeben wollen. Wohin damit? Er
konnte es doch nicht einfach im Keller der Kneipe lassen. Dann kam ihm
eine Idee. Der Kaninchenstall im zweiten Hof, da würde er es unters
Stroh legen.
Er stahl sich aus der Tür
und wollte rasch durch den Torbogen laufen, als er eine feste Hand auf der
Schulter spürte. Erich Oster, der Kneipenwirt. Eigentlich ein netter
Mann, der viel Geduld mit ihm hatte und ihm auch mal eine Wurst oder ein
wenig Geld zusteckte, doch jetzt wollte Paul mit niemandem reden.
»Was machst du denn
hier, Junge? Ist doch gar nicht dein Tag, oder? Siehst ganz verfroren aus.
Komm mal mit rein, kriegst 'ne heiße Milch.« Sein Griff war so
bestimmt, dass Paul nicht wagte, sich ihm zu entziehen, sondern Oster
durch die Hintertür in die angenehm warme Kneipe folgte. Am Tresen
standen einige Männer, die aufgeregt diskutierten. Er schnappte nur
ein paar Sätze auf, verstand auch nicht alles, doch die Worte ließen
ihn innerlich zu Eis erstarren. Wenn der Wirt nur nichts merkte.
»Ick sach doch -
verkohlt wie 'n Stück Holz. Hat wohl mit Terpentin und so hantiert.«
»Ick hab gar nich
jewusst, det Kunst so jefährlich sein kann«, warf ein zweiter
Mann ein.
»Woher sollste det ooch
wissen?«, sagte ein anderer. »Bei Borsig brauchste nich zu
malen, wa?«
»Ick hab's von meinem
Vetter, der is bei der Feuerwehr. Hab ihn jetroffen, wie se von die
Rehberje kamen. Üble Jeschichte, hat er jesacht.«
Oster beugte sich über
die Theke und nickte zu dem Jungen hinüber. »Nicht so laut, ich
glaub, der Kleine kriegt Angst.«
»Ach, der versteht doch
nüscht, Erich«, sagte einer der Gäste und tippte sich an
die Stirn.
Paul kannte die Geste. Er
ahnte, was sie bedeutete, und sie hatte ihm nie
gefallen. Rasch trank er seine Milch aus und stahl sich aus dem
Schankraum.
»Bis morgen«,
rief ihm der Wirt hinterher. Paul nickte, lief schnell die Kameruner Straße
entlang und bog nach rechts in die Togostraße ein. Er rannte durch
die Durchfahrt des grauen Mietshauses in den zweiten Hof, wo in einer Ecke
ein fast vergessener Kaninchenstall stand. Er war groß, fast ein hölzernes
Häuschen. Der Besitzer war letztes Jahr gestorben, die Tiere hatte
man längst geschlachtet, doch niemand war auf die Idee gekommen, den
leeren Stall wegzuschaffen. Paul öffnete die Drahttür und kroch
hinein. Er meinte noch immer etwas von der Wärme der Kaninchen zu spüren.
Dann zog er vorsichtig das Blatt Papier aus dem Hemd und faltete es
auseinander.
Bisher hatte er ja nur einen
kurzen Blick darauf geworfen, weil ihm das Bild nicht behagte. Paul fürchtete
sich vor Dingen, die er nicht verstand. Nun aber schaute er noch einmal
hin. Die blaue Farbe war ganz schön, der Rest machte ihm Angst. Ein
Mann in grauer Uniform mit strengem Gesicht, der eine andere Gestalt
festhielt. Die war nicht richtig zu erkennen, schien aber sehr jung zu
sein, fast noch ein Junge. Und der schrie.
Rasch faltete Paul das Papier
zusammen und schob es in der äußersten Stallecke unter das
alte, muffige Stroh. Hier würde es niemand finden. Er bereute, dass
er sich das Bild angesehen hatte. Es machte ein schlechtes Gefühl im
Bauch.
Hier im Stall fühlte er
sich geborgen. Er rollte sich zusammen und überließ sich seiner
Trauer.
*
Walther fing Leo, der gerade
aus der Mittagspause kam, in der Dircksenstraße mit einem
Dienstwagen ab. »Steig ein. Die Feuerwache Schillerpark hat
angerufen. Brand in einem Maleratelier,
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