Tod in Blau
irgendwo in den Rehbergen.«
Er merkte, wie Leo, der sich für Kunst interessierte, aufhorchte.
»Wie heißt der
Besitzer?«
Walther blätterte in
seinem Notizbuch. »Arnold Wegner, sagt mir gar nichts. Ist in seinem
Atelier verbrannt.«
Leo sah ihn kopfschüttelnd
an. »Du liest wohl nur die Sportmeldungen, was? Er war ein sehr
bekannter Künstler. Malte vor allem Porträts, sehr provozierend.
Dirnen, Zuhälter, Kriegskrüppel, Kokser.«
»Klingt nicht gerade
nach dem, was ich mir ins Wohnzimmer hängen würde«, meinte
Walther unbekümmert. »Jedenfalls vermutet Brandoberinspektor
Erichsen eine Inbrandsetzung durch menschliches Tun, vermutlich Selbsttötung.
Ich habe schon im Leichenkeller Bescheid gesagt, dass Lehnbach sich den
Toten ansehen soll.«
Die Feuerwache in der
Edinburger Straße 7 war als erste Berliner Wache für den
Betrieb mit Automobilen erbaut worden. Davon zeugten die vier großen
Toreinfahrten, hinter denen sich die Wagenhalle für die Löschzüge
befand. Darüber war ein Dachgarten angelegt, der der Erholung der
Feuerwehrleute dienen sollte und allgemeine Bewunderung erregte. »So
was hätte ich auch gern für die Mittagspause«, sagte
Walther mit einem Blick nach oben, als sie auf der gegenüberliegenden
Straßenseite parkten.
»Dafür werden die
aber auch oft genug aus dem Schlaf gerissen«, meinte Leo.
Im Gebäude erkundigten
sie sich nach Brandoberinspektor Erichsen und wurden in ein Büro geführt,
in dem ein schwergewichtiger Mann mit weißem Schnurrbart thronte,
der ein wenig an Generalfeldmarschall von Hindenburg erinnerte.
»Guten Tag, die Herren.«
Er bot ihnen Plätze an. »Ich gebe Ihnen zunächst einen
kurzen Bericht zum Brandfall.« Er warf einen Blick in seine Akte.
»Die Meldung kam gestern um halb sechs nachmittags. Wir waren etwa
zehn Minuten später am Brandort. Das Opfer heißt Arnold Wegner,
geboren am 25. März 1880, wohnhaft Hochmeisterstraße 12,
Prenzlauer Berg, Berlin, von Beruf Kunstmaler. Das Atelier liegt in einem
kleinen Waldstück, das sich in Wegners Privatbesitz befand, nicht
eingezäunt ist und dessen Bäume wie durch ein Wunder nicht als
Ofenholz geendet sind. Er hat es von einem entfernten Verwandten geerbt
und das daraufstehende Häuschen zu einem Atelier umgebaut.«
»Wer hat Sie verständigt?«,
fragte Leo.
»Die Meldung kam von
der Frau des Toten. Sie rief völlig aufgelöst aus einem Geschäft
in der Afrikanischen Straße an. Hatte ihren Mann im Atelier
aufsuchen wollen und dabei den bereits erloschenen Brand entdeckt.«
»Um was für eine
Art Gebäude handelt es sich?«
»Einen einfachen, weiß
getünchten Ziegelbau mit großen Fenstern, die der Verstorbene
nachträglich hat einsetzen lassen, um das Gebäude als Atelier
nutzen zu können. Eigentlich ist es nur ein einziger großer
Raum, etwa vierzig Quadratmeter. Hier ist eine Grundrisszeichnung.«
Er schob Wechsler und Walther
eine Skizze hin, auf der Fenster, Türen und die Lage des Toten
markiert waren. Außerdem waren ein Utensilientisch, ein kleiner
Schrank, eine Chaiselongue, ein Standspiegel und ein Esstisch mit Stühlen
eingezeichnet. »Nun zur Brandstelle.« Erichsen deutete auf die
Position der Leiche. »Was mir zu denken gibt, ist die Tatsache, dass
nur das Opfer selbst und die unmittelbare Umgebung schwere Brandspuren
aufweisen. Der Rest des Raums ist kaum beschädigt, auch die Bilder
nicht.« Er verzog missbilligend das Gesicht, vielleicht ein stummer
Kommentar zu Wegners Kunstwerken. »Lediglich die Fenster, die sich
in der Nähe der Brandstelle befinden, weisen Hitzerisse auf. Die
Leiche selbst hingegen ist stark verbrannt und konnte hauptsächlich
anhand eines Rings identifiziert werden.«
»Des Traurings?«,
warf Leo ein.
»Nein, der Tote trug
keinen Trauring. Es war ein Ring mit einem Stein, der eine
charakteristische eckige Form aufweist. Seine Frau sagt, er habe es stets
abgelehnt, einen Ehering zu tragen.« Erichsen sah Leo mit
hochgezogenen Augenbrauen an, als wollte er sagen, dass Menschen, die
solche Bilder malten, ohnehin keinen Respekt vor bürgerlichen Werten
besaßen.
»Und Sie halten es für
denkbar, dass Arnold Wegner sich selbst getötet hat?«,
erkundigte sich Leo. »Haben Sie die Ehefrau dazu befragt?«
Erichsen sah ihn ein wenig
gekränkt an. »Bislang steht nicht fest, ob es sich um eine
Selbsttötung
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