Tod in Blau
aber wenn du in Gefahr bist, musst du
jemanden suchen, der dir hilft. Versuch wenigstens, mit deinen Eltern zu
sprechen.«
Der Junge nickte zweifelnd.
Er schien nicht überzeugt.
»Wie sieht dieser Mann
denn aus?«
Er zuckte mit den Schultern.
Sie stand auf und trat ans Fenster. Auf der dämmrigen Straße
waren nur Leute zu sehen, die sie gut kannte. Eine Frau fegte vor der Gemüsehandlung,
ein Droschkenkutscher hängte seinem Gaul gerade den Heusack um.
»Zeig mir doch mal den
Mann.«
»Der ist jetzt nicht
da. Der kommt nur, wenn ich allein bin.«
Sie sah auf die Uhr. Halb
sechs. Sie hatte noch etwas Zeit.
»Pass auf, ich bringe
dich jetzt nach Hause, und wir erzählen deinen Eltern alles.«
Sie drehte sich um, nahm ihren Mantel vom Haken und wickelte sich den
Schal um den Hals. »Einverstanden, Paul?«
Magda Schott hörte
rennende Schritte auf dem glatten Linoleumboden, dann fiel die Haustür
ins Schloss.
Sie zog mit einem Seufzer den
Mantel an, trat ans Fenster und sah gerade noch, wie ein dunkler Wagen mit
quietschenden Reifen davonfuhr. Paul war verschwunden.
19
Nelly Wegner schaute Robert
Walther überrascht an, als sie ihm am frühen Abend die Wohnungstür
öffnete. »Gibt es etwas Neues?«, fragte sie beinahe
atemlos. »Haben Sie etwas über Arnolds Tod herausgefunden?«
Sie führte ihn ins
Wohnzimmer, und er fühlte sich nicht ganz wohl, da sie überhaupt
nicht zu ahnen schien, weshalb er hergekommen war. Als sie durch die Diele
gingen, bemerkte er flüchtig ein Schaukelpferd, über das sie ein
Tuch geworfen hatte. Nur die hölzernen Kufen schauten unten heraus.
Er beschloss, keine großen Umschweife zu machen.
»Leider habe ich keine
Neuigkeiten, Frau Wegner, wohl aber einige Fragen.« Er stellte seine
Aktentasche ab und holte einen Notizblock hervor. »Bei einem unserer
letzten Gespräche erwähnten Sie, Sie wollten sich eine Stellung
im Büro suchen. Haben Sie sich schon irgendwo vorgestellt?«
Sie sah ihn verwundert an,
als fragte sie sich, was dies mit dem Mordfall zu tun haben sollte, und
antwortete ruhig: »Nein, Herr Walther, bisher habe ich nichts
dergleichen unternommen. Meine Pläne haben sich nämlich geändert,
ich meine, eigentlich will ich mir gar keine Stelle mehr suchen, weil ich
keine Zeit dazu habe.« Sie lächelte ein wenig verlegen. »Ich
möchte - ich möchte ein Kind adoptieren. Sie wissen ja, ich habe
mir in meiner Ehe vergeblich ein eigenes gewünscht.«
»Ganz schön mutig,
in diesen schweren Zeiten ein Kind anzunehmen«, sagte er ein wenig
herausfordernd.
Sie schüttelte den Kopf.
»Ach, ich bin immer viel allein gewesen und musste oft ohne Arnolds
Hilfe zurechtkommen. Ich habe mich auch um alles gekümmert, was mit
Geld zu tun hatte, das war nicht seine Welt. Außerdem gibt es so
viele Kriegerwitwen, die ihre Kinder allein großziehen.« Sie
wirkte so gelassen, dass er beinahe an seinen Vermutungen zweifelte.
»Frau Wegner, ich muss
Ihnen jetzt eine Frage stellen, die Sie vielleicht kränken wird, aber
bei unseren Ermittlungen müssen wir allen Spuren nachgehen.«
Sie sah ihn verwirrt an.
»Wieso kränken?«
»Ihnen dürfte
bekannt sein, dass bei Ehepaaren beide Ehegatten einer Adoption zustimmen
müssen.«
»Ja.«
»Also gab es in Ihrem
Fall bis vor kurzem ein Hindernis, da Ihr Mann sowohl einem eigenen Kind
als auch einer Adoption ablehnend gegenüberstand. Das haben Zeugen
bestätigt.«
»Ja, das ist richtig,
ich habe auch nie verschwiegen, wie Arnold zu eigenen Kindern stand. Aber
ich weiß nicht -« Dann schlug sie die Hand vor den Mund und
verstummte.
»Sie verstehen, dass
wir es als Mordmotiv in Betracht ziehen müssen, so ungewöhnlich
es auch sein mag. Leider ist es das einzige Motiv, auf das wir bei unseren
Ermittlungen bislang überhaupt gestoßen sind, Frau Wegner.«
Sie sah ihn an, als würde
sie aus einem tiefen Schlaf erwachen. Ihr Blick war so eindringlich, dass
Walther ein wenig ungehaglich wurde.
»Herr Walther, ich muss
Sie bitten, meine Wohnung zu verlassen.«
»Dann muss ich Sie
wiederum bitten, mit aufs Präsidium zu kommen«, entgegnete er.
»Dort können wir uns weiter unterhalten.«
Sie schaute sich um, als
suchte sie Hilfe, stand dann auf und holte entschlossen ihren Mantel.
»Bitte, dann nehmen Sie mich doch mit. Aber Sie werden mir nichts
nachweisen können, denn ich habe nichts getan. Sicher,
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