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Tod in Bordeaux

Tod in Bordeaux

Titel: Tod in Bordeaux Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
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sich im Bad an. Trotz der Anwesenheit von Carolines Mutter in der Küche machte er sich nach einem knappen «Bonjour» einen Kaffee und verzog sich mit dem Becher nach draußen.
    Der Morgen war kalt und klar. Martin setzte sich auf eine Kiste und starrte die abgeernteten Weinstöcke an. Wie anders war alles gewesen, als Gaston noch lebte. Zwei Wochen erst waren seit seinem Tod vergangen, und alles hatte sich seitdem verändert. Er hatte niemanden mehr, der ihn verstand, der mit ihm fühlte und an dessen Leben er selbst intensiv Anteil nahm. In geschäftlichen Angelegenheiten vertraute er Sichel, aber dicke Freunde waren sie nie geworden. Mit Gaston hingegen hatte er über alles reden können: über die dumme Affäre, die er vor einigen Jahren mit einer gemeinsamen Bekannten in Bordeaux angefangen und rasch wieder beendet hatte, über seine Unentschlossenheit Petra gegenüber - keiner von ihnen hatte je ein Blatt vor den Mund genommen. Sie hatten sich gestritten, dass die Fetzen flogen, ohne sich gram zu sein. Niemals war einer von ihnen nachtragend gewesen, jedes Missverständnis hatten sie ausräumen können. Martin wusste gar nicht mehr, wie es war, ohne einen wirklichen Freund zu leben.
    Er trank den Kaffee aus und ging in die Garage. Behutsam lockerte er den Tresterhut und pumpte Wein oben rüber. Anschließend packte ihn die Putzwut. Um Petra auszuweichen, war ihm jedes Mittel recht. Drei Stunden später waren Garage und Flaschenlager so sauber wie nie zuvor.
    Als er ins Haus zurückkehrte und Petra zu einem Spaziergang abholen wollte, stand sie am Bügelbrett: «Geh ruhig allein. Morgen komme ich mit. Und lass den Wagen waschen. Mit dem dreckigen Ding können wir uns nirgends sehen lassen.»
    Martin schluckte. Sie war wirklich nur gekommen, um sich endlich Zugang zu den Palästen der Weindynastien zu verschaffen. Wieso hatte er ihr nicht mit einem klaren Nein abgesagt? Er zog den Trainingsanzug und die Laufschuhe an. Ich bin ein Idiot, dachte er und rannte los.
    Das strahlende Herbstwetter, die Sonne über den Weinbergen und die sanft geschwungenen Hügel versöhnten ihn langsam wieder mit sich selbst. Nach einer Viertelstunde hatte er seinen Rhythmus gefunden. Er brauchte nur die Beine nach vorn zu schwingen, und die Erde wurde wie von selbst unter seinen Füßen weggezogen.
    «Der Smoking steht dir nicht, er ist zu groß.» Petra musterte Martin kritisch, als er sich für das Dinner umgezogen hatte. «Du siehst aus, als hättest du dich verkleidet. Du bist wirklich mehr der Gummistiefel-Typ.» Sie nahm ihren Schminkkoffer und verschwand im Bad. Martin unterdrückte eine Bemerkung und ging nach unten. Eine halbe Stunde später kam Petra nach.
    Caroline und ihre Mutter bewunderten ihr Abendkleid, aber Martin gefiel es ganz und gar nicht. Das kleine Schwarze war viel zu weit ausgeschnitten, sowohl vorn wie auf dem Rücken. Es war nicht elegant, sondern auffällig, geeignet für jemanden, der auf dem Presseball Furore machen will, aber nicht, um bei einem Dinner in einem großen Château getragen zu werden. Aber das würde Petra nie begreifen.
    Martin nahm seinen Mantel, ging zum Wagen, den er am Nachmittag hatte waschen lassen, und öffnete Petra den Schlag. Er wollte wie immer den Weg ins Médoc über Blaye nehmen und mit der Fähre übersetzen.
    Petra widerstrebten derartige Abenteuer. «Wir fahren lieber durch die Stadt, da sehe ich wenigstens etwas von Bordeaux - und mein Kleid wird weniger strapaziert.»
    Er verbeugte sich wie ein Chauffeur, klemmte sich hinters Steuer und schnappte nach Luft. Petra hatte sich mit einem Parfum überschüttet, dessen weicher, schwer-süßlicher Duft ihn kaum atmen ließ. Eine zu gute Nase konnte zum Handicap werden. Er stellte das Gebläse an, doch Petra schaltete es mit den Worten «Es zieht» wieder aus.
    Nach einer Weile des Schweigens plauderte sie wieder über ihre «superinteressanten» Begegnungen auf dem letzten Kongress mit «hinreißenden» Leuten aus der Werbebranche, mit Art directors, die irgendwelche Awards gewonnen hatten, mit PR-Beratern und Product Managern und so weiter.
    Martin achtete nicht auf ihre Worte, ihn beschäftigte die anstehende Begegnung mit Garenne. Würde er ihn zum Sprechen bringen können, ohne dass sein Verdacht durchschimmerte? Er konnte es sich schlecht verstellen, Heimlichtuerei war nie seine Stärke gewesen. Wusste Garenne von der Fälschung? War Garenne benutzt worden, oder war er etwa selbst der Fälscher? Plötzlich erinnerte sich

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