Tod in Bordeaux
aufgewirbelt? Er musste mit dem Kommissar reden, schleunigst, wer sonst könnte ihn schützen?
Kapitel 12
Kommissar Grivot nahm die Brille ab, stützte die Ellenbogen auf den Tisch und rieb sich die Augen. Ohne das schwarze Gestell mit den dicken Gläsern wirkte er vollkommen anders, gar nicht mehr verwirrt und orientierungslos. Vielleicht war das alles nur eine Verkleidung für ihn?, überlegte Martin.
Der provenzalische Landwein war schlecht und billig; Martin griff nach dem Wasser, ihm war vom vielen Reden der Mund trocken geworden. Grivot hatte ihm nur die eine oder andere Frage gestellt, denn wie er selbst ganz richtig meinte, verstand er nichts von Wein - und auch nichts vom Essen. Martin hielt es seiner mangelnden Kenntnis der Stadt Bordeaux und ihres gastronomischen Angebots zugute.
Grivot öffnete den Mund, um etwas zu sagen, Martin hob abwehrend die Hände: «Beginnen Sie Ihren Satz nicht mit ‹Junger Mann›, Sie sind kurz davor ...»
Grivots Kiefer klappte zu, so mechanisch wie der eines rot lackierten Nussknackers, dann schmunzelte er. «Gut, Monsieur Bongeeers, sehr gut.» Er nickte mehrmals, als müsse er sich entscheiden, welche Rolle nun angebracht war, und seufzte. «Vieles, was Sie sagen, klingt logisch und klar, es ist mir durchaus plausibel. Bei den Geschmacksfragen eines Second Cru, wie des Haut-Bourton, kann ich nicht folgen, da muss ich mich auf Ihr Urteil verlassen, was ich sehr ungern tue. Das ist nicht gegen Sie gerichtet. Mein Resümee ist folgendes: Sie haben keinerlei Beweise gegen Monsieur Garenne, bis auf die alten Kistenbretter. Daher ist alles Verleumdung, üble Nachrede und hypothetisch, Ihre Anschuldigungen basieren auf Annahmen. Das Zollformular liefert keinen Hinweis, ob statt des Moulin de la Vaux Haut-Bourton in den Kisten war. Und wenn, dann braucht Monsieur Garenne nichts davon gewusst zu haben. Jemand benutzt vielleicht seinen Namen, sein Château, was weiß ich. Meistens räumen leitende Mitarbeiter ab. Nur wer sich im Unternehmen auskennt, hat damit Erfolg. Das ist nichts für Sachbearbeiter. Sie haben gesehen, dass auf diesem anderen Château, in Côtes du Bourg, wie heißt es nochmal?»
«Clairmont», antwortete Martin entgeistert. Er versuchte, die Fassung zu bewahren, denn mit einer totalen Abfuhr hatte er nicht gerechnet.
«... dass auf Château Clairmont Kisten mit einem neuen Jahrgang bedruckt wurden? Wo sind sie? Sie haben keine mitgebracht? Sie wissen nicht einmal, wohin der Wagen gefahren ist.»
Martin schüttelte entmutigt den Kopf. Er musste sich zwingen, nicht einfach aufzustehen und zu gehen.
Grivot betrachtete seine Fingernägel, während er Martins Vermutungen weiter zerpflückte. «Auch kein Beweis. Jeder kann drucken, was er will. Vielleicht sind es Werbeschilder, Aufsteller für Schaufenster? Das scheint mir alles an den Haaren herbeigezogen zu sein. Nur ...», Grivot machte eine lange Pause, um seinen Worten Gewicht zu verleihen, «es gibt einen Umstand, der auch mich glauben lässt, und ich sage bewusst ‹glauben›, dass es ein Verbrechen war.»
«Und der wäre?» Hoffnung keimte in Martin auf.
«Gestern Abend bekamen wir aus Marseille das Foto eines Toten. Man konnte ihn identifizieren, es war der Fahrer des Gabelstaplers, erstochen ...»
«Erstochen?» Martin erschrak, obwohl er ja eigentlich so etwas wie Befriedigung hätte empfinden müssen, aber das Gegenteil war der Fall. Es war ihm unheimlich, der Tod war verdammt nah, und die Angst vor den Schlägen kam zurück. Sollte er aufgeben und sich an den Rat Jean-Claudes halten?
«Der Algerier wurde von hinten erstochen, rechts, ein Stich von unten nach oben, es muss jemand gewesen sein, der mit dem Messer umgehen kann.»
«Da gibt es jemanden», sagte Martin, noch immer von der Nachricht geschockt. «Ich habe ihn nicht gesehen, nur als Spiegelung in einem meiner Bilder, im Violoncellist Upaupa ...»
«Worin? In was?» Grivot starrte ihn verständnislos an.
«Upaupa Schneklud, ein Gemälde von Gauguin. Gerochen habe ich ihn, er roch nach ...»
«Gauguin - oder Ihr Messerexperte? Das hilft uns nicht. Sollten wir etwa einen olfaktorischen Steckbrief ausgeben?»
«Wäre mal was Neues: Totschläger gesucht, riecht nach Druckerschwärze und Kiefernholz, etwas Schweiß, Knoblauch, gemischt mit abgestandenem Zigarettenrauch, Lederfett, vergorenem Rotwein und drei Tage altem Trester ...»
«Kein sympathisches Profil. Seit wann verkehren Sie mit Totschlägern?»
«Ich sag s Ihnen gleich -
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