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Tod in Breslau

Tod in Breslau

Titel: Tod in Breslau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marek Krajewski
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war
    sicher, dass er mit seinem Bericht das Interesse seiner
    beiden Zuhörer wecken, sie sogar verblüffen würde. Er
    ging im Zimmer auf und ab und entwarf im Kopf seinen
    Vortrag, er legte sich die Erwiderungen auf alle Gegenar-
    gumente zurecht und formulierte schließlich eine schlüs-
    sige Quintessenz. Als er sah, dass seine Gäste durch die
    herrschende Stille leichte Ungeduld zeigten, begann er
    seine Ausführungen mit einer scheinbaren Abschwei-
    fung.
    »Meine Herren, in seiner ›Geschichte der persischen
    Literatur‹ erwähnte Wilhelm Grünhagen ein verloren ge-
    glaubtes historisches Werk aus dem vierzehnten Jahr-
    hundert, in dem die Kreuzzüge beschrieben sind. Dieses
    Werk, das den Titel ›Die Kämpfer Allahs und der Krieg
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    gegen die Ungläubigen‹ trägt, hat angeblich ein hochge-
    bildeter Perser, ein gewisser Ibn Sahim geschrieben. Jetzt können Sie natürlich sagen: Es sind schließlich schon viele Werke verloren gegangen! … was soll’s also … eine alte
    Handschrift mehr oder weniger … doch diese Gering-
    schätzung wäre hier nicht angebracht. Denn wenn die
    Schrift des Ibn Sahim heute zugänglich wäre, dann hätten
    wir nicht nur eine Quelle mehr über die faszinierende
    Geschichte der Kreuzzüge. Sie wäre nämlich deshalb so
    interessant, weil von einem Mann verfasst, der auf der
    anderen Seite stand: von einem Mohammedaner.«
    Mock und Anwaldt erfüllten die Hoffnung des Vortra-
    genden völlig. Keiner von beiden hatte zwar die Altphilo-
    logie zu seinem Beruf gemacht, aber die epische Breite
    von Hartners Erzählung störte sie keineswegs. Das sporn-
    te Hartner an. Er legte seine schmale Hand auf einen Stoß
    Papier.
    »Meine Herren, ein Traum vieler Historiker und Ori-
    entalisten ist Wirklichkeit geworden. Was hier vor mir
    liegt, ist das verloren geglaubte Werk des Ibn Sahim. Und
    wer hat es entdeckt? Richtig, es war Georg Maass. Ich
    weiß nicht, wie er davon erfahren hat, dass sich diese
    Handschrift die ganze Zeit unkatalogisiert in der Breslau-
    er Bibliothek befand, ob er selber darauf gekommen ist
    oder irgendeinem Hinweis gefolgt ist. Jedenfalls ist es
    nicht leicht, ein Manuskript ausfindig zu machen, das,
    wie dieses hier, mit zwei anderen, kleineren, zusammen
    in einem Band eingebunden ist. Kurz und gut: Diese Ent-
    deckung wird Maass weltberühmt machen … umso
    mehr, als er das Werk auch ins Deutsche übersetzt. Und
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    ich muss zugeben, seine Übersetzung ist einerseits treu
    und andererseits gleichzeitig sehr schön. Auf den Foto-
    grafien, die ich von Ihnen bekommen habe, ist die Über-
    tragung eines sehr interessanten Fragments dieser Chro-
    nik zu sehen. Darin ist die Rede von einem makabren
    Mord, den zwei Männer – ein Türke und ein Kreuzritter
    – an den Kindern des Emir Al-Shausi, eines Führers der
    Yeziden-Sekte, im Jahre 1205 begangen haben. Das ist
    sehr verwunderlich für alle Kenner der Geschichte der
    Kreuzzüge, denn der vierte Kreuzzug im Jahre 1205 ge-
    langte nur bis Konstantinopel! Aber man kann wohl
    nicht ganz ausschließen, dass doch einige wenige Trup-
    pen in so entfernte Gebiete wie Anatolien oder sogar Me-
    sopotamien vorstießen. Diese Abenteurer, die auf der Su-
    che nach Reichtum waren, plünderten und raubten, was
    ihnen unter die Hände kam, und nicht selten waren sie
    mit den Mohammedanern äußerst gut gestellt. Häufigstes
    Ziel ihrer Angriffe waren die Yeziden.«
    Anwaldt verfolgte angestrengt die Ausführungen.
    Mock sah auf die Uhr und öffnete den Mund, um Hart-
    ner höflich zu bitten, zur Sache zu kommen. Der hatte
    seine Absicht jedoch bereits erkannt:
    »Ja, gleich, Herr Direktor, ich werde sofort erklären,
    wer die Yeziden waren. Es handelt sich um eine recht ge-
    heimnisumwitterte Sekte, deren Wurzeln bis ins zwölfte
    Jahrhundert zurückreichen und die es bis heute gibt –
    man hält sie gemeinhin für Satanisten. Doch das wäre ei-
    ne grobe Vereinfachung. Es stimmt zwar, dass die Yezi-
    den Satan huldigen, aber einem Satan, der für seine Sün-
    den Buße tut. Trotz der Buße ist er jedoch immer noch
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    überaus mächtig. Diesen Gott des Bösen nennen sie Ma-
    lak-Taus, dargestellt wird er als ›Engel Pfau‹. Er regiert die Welt mithilfe von sechs oder sieben Engeln, auch diese wurden als Pfauen dargestellt, aus Eisen oder Bronze.
    Kurz gesagt, die Religion der Yeziden ist eine Mischung
    aus Islam, Christentum, Judentum und Mazdaismus, also
    aller Bekenntnisse, deren Anhänger die Berge im

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