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Tod in den Wolken

Tod in den Wolken

Titel: Tod in den Wolken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Einzelheiten hinzu. Anne Morisot verließ das Institut de Marie vor sechs Jahren, betätigte sich auf dem Gebiet der Schönheitspflege, wurde hinterher Zofe bei einer Dame und reiste als solche von Quebec nach Europa. Allzu oft schrieb sie nicht, aber immerhin hörte Mère Angélique zweimal im Jahr von ihr. Als sie dann einen Bericht über die Geschworenenverhandlung in der Zeitung las, sagte sie sich, dass diese Marie Morisot die Marie Morisot aus Quebec sein müsse.»
    «Wie steht’s mit dem Gatten?» fragte Fournier.
    «Nun, da wir endgültig wissen, dass Giselle verheiratet war, könnte der Gatte Bedeutung gewinnen.»
    «Von dieser Erwägung ausgehend, führte ich das Telefongespräch», bekannte Poirot. «George Leman, Giselles nichtswürdiger Mann, fiel gleich zu Anfang des Krieges.» Er schwieg, und dann stieß er brüsk hervor: «Was habe ich doch eben gesagt…? Nein, nicht die letzte Bemerkung die vorletzte? Ich habe das Gefühl, als ob ich, unwissentlich, etwas Wichtiges gesagt hätte.»
    Fournier wiederholte, so gut er konnte, den Inhalt, aber der kleine Mann war nicht zufrieden.
    «Nein, nein, das ist es nicht, was ich meinte. Na, lassen wir’s.» Und er wandte sich Jane zu und zog sie ins Gespräch. Gegen Ende des Essens schlug er vor, den Kaffee in der Halle zu trinken.
    Jane Grey fand den Einfall ausgezeichnet und streckte die Hand nach Tasche und Handschuhen aus, die auf dem Tisch lagen.
    Als sie die Sachen aufnahm, zuckte sie leicht zusammen.
    «Was gibt’s, Mademoiselle?»
    «Nichts, gar nichts», erwiderte sie lachend. «Ich habe mir nur einen Nagel eingerissen, den ich abfeilen muss.»
    Jäh fiel Hercule Poirot, der bereits aufgestanden war, wieder auf seinen Stuhl zurück.
    «Nom d’un nom d’un nom!», sagte er ruhig.
    «Monsieur Poirot, was fehlt Ihnen?», schrie das Mädchen erschrocken.
    «Nichts fehlt mir mehr, mein Kind. Jetzt weiß ich, warum mir das Gesicht von Madame Giselles Tochter so bekannt vorkam. Ich habe sie schon früher gesehen… in jenem Flugzeug am Mordtag. Lady Horbury ließ sie wegen einer Nagelfeile holen. Denn Anne Morisot war Lady Horburys Zofe.»
    Diese plötzliche Enthüllung, die eine fast betäubende Wirkung auf alle drei hatte, ließ den Fall in einem gänzlich neuen Licht erscheinen. Aus einer vom Schauplatz der Tragödie weit entfernten Person verwandelte Anne Morisot sich in einen Passagier des Flugzeugs, in dem das Verbrechen begangen worden war. Wahrhaftig, eine aufregende Veränderung…
    Und sie brauchten ein paar Minuten, um sich den neuen Tatbestand klarzumachen.

 
25
     
    Poirot gestikulierte wild mit den Händen. Seine Augen waren geschlossen, und sein Gesicht war wie unter physischem Schmerz verzerrt.
    «Einen Augenblick, einen kleinen Augenblick nur», flehte er. «Ich muss denken, sehen, mir vergegenwärtigen, wie das meine Ideen über den Fall beeinflusst. Ich muss mich zurückversetzen… Ah, verflucht sei mein unglücklicher Magen, der mich apathisch machte gegen die äußere Welt!»
    «Dann befand sie sich also im Flugzeug!», staunte Fournier. «Ah, das erklärt vieles.»
    «Ich erinnere mich an sie», sagte Jane. «Ein großes, dunkles Mädchen. Madeleine, rief Lady Horbury sie.»
    «Ja, ja, Madeleine», bekräftigte, ohne die Augen zu öffnen, Hercule Poirot.
    «Lady Horbury schickte sie wegen eines roten Köfferchens in den hinteren Teil des Flugzeugs.»
    «Das heißt, dass Anne Morisot dicht an dem Sitz vorüberging, den ihre Mutter innehatte?», fragte Fournier, und als Jane Grey dies bejahte, landete seine Faust mit lautem Krach auf der Tischplatte.
    «Donnerwetter!», schrie er. «Weshalb hat das denn keiner früher erwähnt? Warum schloss man sie nicht in den Kreis der verdächtigen Personen ein?»
    «Ich sagte es Ihnen ja, mein Freund», erwiderte Poirot müde. «Mein unglücklicher Magen.»
    «Ja, ja, das ist verständlich. Indes gab es andere Mägen, die nicht revoltierten – die Stewards, die übrigen Passagiere.»
    «Ich glaube, das erklärt sich dadurch, dass dieser Zwischenfall so früh geschah, bereits kurz nach dem Abheben in Le Bourget. Und eine Stunde später lebte Giselle noch», erläuterte das junge Mädchen.
    «Das ist allerdings merkwürdig. Kann vielleicht eine verzögerte Wirkung des Giftes vorliegen?», überlegte Fournier. «Derartiges kommt vor.»
    Hercule Poirot stöhnte und barg seinen Kopf in den Händen.
    «Ich muss denken. Ich muss denken… Sollten meine Ideen denn gänzlich falsch gewesen

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