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Tod in der Marsch

Tod in der Marsch

Titel: Tod in der Marsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Nygaard
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wobei sich ihre Wangen
zu zwei bezaubernden Grübchen zurückzogen. »Das weiß inzwischen jeder im Dorf«,
erwiderte sie. Dabei sah sie den sportlichen Harm Mommsen an. Angesichts des
braun gebrannten und wohlgestalteten jungen Mannes verklärte sich ihr Lächeln.
Das hatte Christoph schon oft erlebt, dass sein junger Kollege ein
ausgesprochener Frauentyp war, dem die Mädchenherzen nur so zuflogen.
    »Sie sind die Wirtin?«
    Ihr Blick kehrte zu Christoph zurück. »Nein«, sagte
sie, »ich bin die Tochter. Mein Name ist Sarah Stamm.«
    »Dann ist der Name Ihres Gasthauses ›Zum Stammbaum‹
kein Zufall?«, wollte Große Jäger wissen.
    Wieder ließ sie ihr spitzbübisches, anziehendes
Lächeln sehen. »Nein, das ist kein Zufall. Mein Großvater hat diesen Krug so
genannt, nachdem er ihn irgendwann in den Jahren nach dem Krieg und vor dem
Ende des Wirtschaftswunders übernommen hat. Seitdem wurde er hier im Dorf nur
der ›Stammvater‹ genannt. Sein Sohn, mein Vater, ist dann für alle immer der
›Stammhalter‹ gewesen. Zuerst hat es Papa ja geärgert, aber im Laufe der
Jahrzehnte hat er daran gewöhnt. Und ich bin das kleine Stämmchen«, ergänzte
sie gurrend. »Ich arbeite in Husum bei einer Bank und habe jetzt die Tage vor
Weihnachten frei. Dafür müssen wir zum Jahreswechsel Überstunden leisten. Und
wenn hier in der Gaststube wenig los ist, vertrete ich schon einmal meinen
Vater.«
    »Sie sagten, Sie heißen Sarah? Ein schöner, aber außergewöhnlicher
Name für diese Gegend.«
    »Na ja, das ist eine seltsame Geschichte«, erklärte
sie. »Meine Großeltern sind nach dem Krieg hierher verschlagen worden. Zuerst
wohnten sie in Husum. Später hat Großvater diesen Krug pachten können. Mein
Vater ist in Husum zu Schule gegangen. Weil er noch ärmlicher als die anderen
Kinder gekleidet war und einen anderen Dialekt sprach, wurde er oft gehänselt.
Sein Lehrer erkannte das rechtzeitig und hat sich seiner angenommen. Tja, und
so hat sich das kümmerliche Pflänzchen – nomen est omen – entsprechend unserem
Familiennamen zu einem großen, starken Baum entwickelt. Mein Vater hat es
diesem Lehrer nie vergessen. Und als der Stamm dann irgendwann Früchte trug«,
dabei zeigte sie auf sich, »hat mein Vater aus dankbarer Erinnerung an diesen
außergewöhnlichen Menschen mich Sarah genannt.«
    Christoph schoss eine Assoziation durch den Kopf.
    »Hieß der Lehrer, von dem Sie schwärmten, zufällig
Grün?«, fragte er.
    Ein Nicken war die Antwort.
    Nicht noch eine Geschichte von Verlierern des Zweiten
Weltkrieges, dachte er bei sich. Mit Grün und von Dirschau gab es schon zwei
Schicksale aus dieser Zeit, die in diesen Fall hineinspielten.
    »Kennen Sie Anne Dahl?«, wollte Christoph von ihr
wissen.
    Die Fröhlichkeit der jungen Frau wechselte zu einer
Mischung aus Betroffenheit und Nachdenklichkeit.
    »Ja, wir sind die ersten Jahre zusammen zur Schule
gegangen. Ich bin dann nach Husum gewechselt, während Anne weiter die
Hauptschule besucht hat.«
    »Dann waren Sie gemeinsam mit dem jungen von Dirschau
in einer Klasse?«
    »Nein. Der sollte ja unbedingt das Abitur machen,
während ich die Realschule besucht habe«, klärte sie ihn auf. »Unsere Wege
haben sich schon vor langer Zeit getrennt. Der Ralf, das ist der Sohn der von
Dirschaus, hatte wenig Kontakt zu uns Jugendlichen hier im Ort. Das ist mit
zunehmenden Alter noch weniger geworden. Ich kann das aber zum Teil verstehen.
Nachdem ich auf die Schule außerhalb des Dorfes gewechselt war, habe auch ich
mich anders orientiert. Sie haben dann Kontakte, die über die Grenzen des Ortes
hinausgehen. Die Mitschüler kommen aus dem ganzen Landkreis, aber auch aus der
Stadt.«
    »Sie meinen aus Husum?«
    Sie nickte. Für die Bewohner dieser weitläufigen
Region, fern der großen Metropolen, war Husum kurz und bündig »die Stadt« . Fast
entschuldigend fuhr sie fort: »Sie müssen nun nicht glauben, dass die Menschen
hier hinter dem Mond leben. Überall hier gibt es Satellitenfernsehen und
Internet. Die Leute reisen im Urlaub genauso durch die Welt wie andere
Menschen, die in den Ballungszentren wohnen. Es macht aber doch einen
Unterschied, ob Sie Leuten täglich im Hausflur begegnen, die seit Jahren im
gleichen Hochhaus wie Sie wohnen, die Ihnen aber bisher fremd und unbekannt
geblieben sind, oder ob Sie wie hier im Ort Nachbarn haben, deren Vorfahren
schon vor zweihundert Jahren neben ihren eigenen Ahnen wohnten. Da bekommen Sie
zwangsläufig mit, dass der

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