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Tod in der Marsch

Tod in der Marsch

Titel: Tod in der Marsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Nygaard
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solchen Delikten. Das ist
unbefriedigend. Ich bin auch verärgert darüber, dass der Kriminalrat Aufgaben
auf uns abwälzt, für die wir weder ausgebildet noch ausgestattet sind.«
    »Mommsen und ich sind es gewohnt, mit dem Kleinkram,
wie unsere dreimalkluge Führung unsere Arbeit abtut, zu kämpfen. Aber Mord? Das
ist nicht unser Alltag. Da stehen Sie nicht allein wie der Ochs vorm Berg.
Trotzdem …«
    »… hilft es nichts. Wir müssen sehen, dass wir
vorankommen«, ergänzte Christoph. »Wie gehen wir jetzt am besten vor?«
    »Ich fahre noch einmal zur Wohnung der Frau und
besorge einen Gegenstand, zum Beispiel die Zahnbürste des Kindes. Das Ganze
schicken wir ins Labor und lassen gentechnisch untersuchen, ob Peter Dahl
überhaupt der Vater des Kindes ist«, schlug Große Jäger vor. »Das Vergleichsmaterial
liegt uns bereits vor. Wir haben für den Abgleich mit den Spermaspuren schon
eine Probe bei Peter Dahl gezogen. Dann freut sich wieder diese komische Tante
aus Kiel, diese … wie heißt sie noch gleich?«
    »Frau Dr. Braun«, sagte Christoph. »Vielleicht können
Sie auch noch einmal Dahl aufsuchen und etwas über mögliche Verbindungen nach
Marschenbüll in Erfahrung bringen?«
    »Wenn es sein muss«, grummelte Große Jäger in seinen
Stoppelbart.
    Christoph wandte sich an Mommsen. »Von der
Gastwirtstochter wissen wir, dass Anne Dahl am 11. November mit dem Bus nach
Marschenbüll gefahren ist. Lisa war an diesem Tag noch in der Schule, sodass
die beiden frühestens ab Mittag den Bus haben nehmen können. Da die Busse auf
dieser Strecke nur selten verkehren, haben wir vielleicht Glück, und der Fahrer
erinnert sich an die beiden. Übernehmen Sie das?«
    Mommsen nickte. »Selbstverständlich. Außerdem werde
ich noch einen Ausflug in den Computer unternehmen. Vielleicht findet sich dort
irgendetwas.«
    »Danke. Ich werde Grothe fragen, ob es mit der
Suchaktion rund um den Fundort der Leiche klappt. Er hatte mir gestern seine
Hilfe in dieser Angelegenheit zugesagt.«
    Trotz der frühen Morgenstunde hatte Christoph den
Dienststellenleiter in seinem Büro erreicht. Grothe verließ seinen Raum anscheinend
nie. Christoph war ihm während seiner ganzen Zeit in Husum bisher weder in der
Kantine noch auf dem Flur, ja nicht einmal im Waschraum begegnet. Anstelle
eines Morgengrußes hatte der Chef der Polizeiinspektion nur geknurrt: »Natürlich habe ich einen Suchtrupp organisiert. Wenn der Chef etwas
verspricht, hält er es auch.« Damit war das Gespräch in der für ihn typischen
Weise beendet gewesen.
    So saß Christoph jetzt im Auto und fuhr nach
Marschenbüll. Der Wind hatte in den frühen Morgenstunden nachgelassen. Dunst
stand über den Wiesen und zog in Schwaden über die gewundene Straße. Zum Glück
zeigte das Thermometer zwei Grad über dem Gefrierpunkt an, sodass die Gräben
nicht gefroren waren.
    Der Frühbus kam ihm entgegen, der die abseits in der
weiten Marsch gelegenen Dörfer mit der Kreisstadt verband. Zu dieser Jahreszeit
wurde es erst spät hell. Ein schwacher Streifen am Horizont zeigte an, dass die lang andauernde Morgendämmerung im Osten anbrach.
    Er durchquerte Marschenbüll. Der Ort wirkte wie
ausgestorben. Nicht eine Menschenseele war zu sehen. Wenn nicht die
weihnachtlich dekorierten Fenster mit ihrem erleuchteten Hintergrund von der
Existenz der Bewohner gezeugt hätten, hätte man dem Irrglauben erliegen können,
man fahre durch eine Geisterstadt. Am Ende des kleinen Ortes gewahrte er im
Vorbeifahren, dass auch im großen Haus der von Dirschaus mehrere Fenster hell
erleuchtetet waren.
    Durch die Dunstschwaden waren zwischen den Wiesen
rotierende Blaulichter zu sehen. Beim Näherkommen erwiesen sich diese als vier
Streifenwagen mit Polizisten der Husumer Inspektion, die Oberrat Grothe trotz
Personalknappheit abgestellt hatte. Mit ihrer Ortskenntnis konnten die Männer
den ortsfremden Einsatzkräften mit guten Ratschlägen Unterstützung leisten. Sie
kannten das flache Land und die Besonderheiten der Entwässerungsgräben und
Siele. Sie wussten, dass die systematische Anordnung der mit Kopfweiden
bepflanzten Knicks die Erosion des Bodens durch den steten Westwind verhindern
sollten. Sie kannten »die Seele« der Marsch.
    Christoph und die Steifenpolizisten mussten an diesem
nasskalten Dezembermorgen noch fast eine Stunde warten und vertrieben sich die
Zeit mit belanglosen Gesprächen, bis sich schließlich eine Fahrzeugkolonne mit
zuckenden Blaulichtern näherte. Die Wagen bogen von

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